Neuss Erste Stolpersteine in der Nordstadt verlegt

Neuss · Gunter Demnig erinnert an vier Orten in Neuss an NS-Opfer. In einem Fall ging die Initiative von der Gesamtschule Nordstadt aus.

 Gunter Demnig erinnert mit Stolpersteinen an NS-Opfer. Gestern verlegte er mit Schülern der Gesamtschule Nordstadt zwei an der Further Straße.

Gunter Demnig erinnert mit Stolpersteinen an NS-Opfer. Gestern verlegte er mit Schülern der Gesamtschule Nordstadt zwei an der Further Straße.

Foto: woi

Das Stolperstein-Projekt in Neuss wird erweitert - sowohl räumlich als auch inhaltlich. Mit den Messingtafeln im Pflaster vor dem Haus Further Straße 121 wurden gestern die ersten Stolpersteine in der Nordstadt verlegt. Sie erinnern an Max und Helene Müller und damit - auch das ist neu - an zwei jüdische Mitbürger, die Holocaust und Konzentrationslager überlebt haben. Allerdings lässt Max Müllers Tod am 11. Februar 1948 in England für Stadtarchivar Jens Metzdorf nur eine Deutung zu: "Der Tod war Folge seiner Jahre im KZ Theresienstadt."

Seit 1995 verankert der Kölner Künstler Gunter Demnig seine Stolpersteine im Straßenpflaster deutscher und inzwischen auch europäischer Städte. Sie sollen auf Orte hinwiesen, an denen Menschen lebten, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, eingesperrt und zu oft getötet wurden. Ihre Namen will Demnig lebendig halten, über diese Schicksale sollen die Passanten "stolpern".

Manchmal wurden Menschen wegen Bagatelldelikten zu NS-Opfern, wie Metzdorf am Beispiel von Friedrich Seidel aufzeigt. Für den Feinkosthändler aus einer christlichen Familie wurde zum Verhängnis, dass er "Feindsender" gehört hatte. Er kam dafür ins Zuchthaus und gilt als vermisst, seit er Anfang 1945 mit anderen Häftlingen auf einen Todesmarsch geschickt wurde. Über sein Schicksal klärt nun ein Stolperstein vor dem Haus Krefelder Straße 44 auf.

Vier Stellen im Stadtgebiet machte Demnig gestern zu solchen Erinnerungsorten. Vor dem Haus Kanalstraße 63 wird nun an Adele Schäfer erinnert, eine Jüdin, die mit einem Katholiken verheiratet und sogar konvertiert, nach dessen Tod aber jeden Schutzes beraubt war. Sie wurde 1941 deportiert und starb in Riga. Und an der Michaelstraße 57 erinnern vier Stolpersteine an die Famlie von Benno Nußbaum, den letzten jüdischen Kantor in Neuss. Auch er starb mit seiner Ehefrau Sidonie in Riga, ihre Tochter zwei Jahre später. Sohn Walter hingegen emigrierte 1938 und floh in die USA.

Auch die Eheleute Müller, die von 1902 bis 1930 im Haus Markt 1 ein Galanterie- und Spielwarengeschäft betrieben, schickten ihre Kinder rechtzeitig in Sicherheit. Der Sohn wanderte 1918 nach Palästina aus, die Töchter ein Jahr später nach Großbritannien und von dort in die USA. Auch ihre Lebenswege haben Neuntklässler der Gesamtschule Nordstadt recherchiert, die sich mit dem Schicksal der Familie Müller zur Vorbereitung auf eine Fahrt zum Konzentrationslager Auschwitz beschäftigten. Über die Fahrt, das Projekt und die Stolperstein-Patenschaft berichteten sie am Dienstag in der Schule, sagt Isabelle Nießen, die das Vorhaben begleitet. "Wir wollen das Projekt Stolpersteine nun bei einem Bildungsfestival Anfang Juli in Berlin vorstellen und noch bekannter machen."

(-nau)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort