Neuss Ende gut, alles gut

Neuss · Die Shakespeare Company at the Tobacco Factory beendete das Festival im Globe.

 Ausgerechnet mit Parolles diskutiert Helena über die Mühen und den Sinn der Jungfernschaft.

Ausgerechnet mit Parolles diskutiert Helena über die Mühen und den Sinn der Jungfernschaft.

Foto: Christoph Krey

Ende gut, alles gut. Der Spruch ist bekannt, das gleichnamige Stück von William Shakespeare weitaus weniger. So war das letzte Gastspiel des diesjährigen Festivals im Globe tatsächlich die erstmalige Aufführung dieser Komödie an der Neusser Rennbahn in der Originalsprache. Und mit der Inszenierung der Tobacco Factory aus Bristol ein hinreißender, umjubelter Erfolg. Die sechstgrößte Stadt Englands liegt eben auch am Fluss Avon, wie Shakespeares Stratford.

Woran aber liegt es, dass die eigentlich für den großen Dramatiker so typische, märchenhafte Handlung von den Theatern über Jahrhunderte zur Seite gelegt wurde? Bestimmt nicht an den vielen schönen, wenn auch nicht immer glaubhaft strukturierten Handlungssträngen. Auch nicht an der weiblichen Protagonistin Helena, die der Dichter Coleridge sogar als "Shakespeares lieblichste Figur" bezeichnete. Vielleicht doch ein wenig, denn Helena setzt ihre Jungfräulichkeit ziemlich drastisch ein, um den von ihr geliebten Edel- und unwilligen Ehemann Bertram zur Liebe zu zwingen.

Aber just an diesem Bertram scheitert wohl das Stück. Er sträubt sich gegen die Liebe der wunderbaren Helena, weil er sie nicht für ebenbürtig hält. Heiß umwirbt er ein anderes Mädchen mit der Absicht, sie zu entjungfern und zu seiner Geliebten zu machen. Er lügt und betrügt, als Soldat allerdings tapfer und hochgeehrt, um schließlich irgendeiner Frau von gleichem gesellschaftlichen Rang einen Antrag zu machen. Er ist insgesamt ein ziemlicher fieser Bursche, dem es auch beim Spiel der Tobacco Factory nicht gelingt, beim Publikum Sympathie zu erzeugen. Ende gut, alles na ja!

Bertram (gespielt von Craig Fuller) ist also der männliche Protagonist, doch in dieser kunterbunten, witzigen und immer wieder spannenden Inszenierung (Regie Andrew Hilton) fällt es leicht, ihn beinahe ganz zu vergessen. Denn da ist die Geschichte um den Hofnarren und Tanzlehrer Lavatch, in der Darstellung von Marc Geoffrey ein affektierter, verklemmter, gleichwohl letztlich grundehrlicher Diener am Hof des französischen Königs. Seinen Namen könnte man auch als "la vache - die Kuh" aussprechen, doch damit täte man dieser Figur unrecht. Da ist auch die Handlung um Parolles (Paul Currier), den militärischen Gefolgsmann Bertrams. Hier wird die Nutzung des französischen Wortspiels schon deutlicher. "Parole" heißt Ehrenwort, und nichts passt weniger zu diesem Feigling und Verräter.

In beinahe drei Stunden und einer irgendwie historischen Kostümierung rollt das Bristoler Spiel vor dem Publikum ab, und die vielen Volten und Wendungen lassen die Zeit vergessen. Mit insgesamt 15 Darstellern, darunter die wunderbare Eleanor Yates als Helena, tritt diese Truppe opulenter auf als andere Wanderensembles. So kann, ein seltenes Erlebnis, jeder Schauspieler sich auf eine einzige Rolle konzentrieren. Dennoch auch hier eine geschickte Verwendung des Personals: Wer erst im zweiten Teil eine Rolle spielt, dem fällt im ersten die Aufgabe des Requisiteurs zu. Und umgekehrt.

Beim Schlussapplaus wird es dann noch politisch. Zu aktuell ist die Wirkung des "Brexit" auf diese englische Truppe. Während die Neusser Assistenten von oben zum Abschied Seifenblasen pusten, halten einige Schauspieler die Europafahne in der Hand.

(NGZ)
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