Neuss Eine Komödie mit viel Lokalkolorit

Neuss · Das Stück "Jakobs Weg - Pilgern to go" hatte am Theater am Schlachthof Uraufführung. Entstanden ist eine Theater-Komödie über enttäuschte Liebe, verbindende Existenzangst und die Kommerzialisierung des Glaubens.

 Wolfgang A. Wirringa, Bertolt Kastner, Julia Jochmann, Marlene Zilias und Ana Maria Gonzalez (v.l.) bei der Testamentseröffnung in "Jakobs Weg".

Wolfgang A. Wirringa, Bertolt Kastner, Julia Jochmann, Marlene Zilias und Ana Maria Gonzalez (v.l.) bei der Testamentseröffnung in "Jakobs Weg".

Foto: J. Witkowski

Wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt irgendwo ein Kerkeling her. Mit diesem Aphorismus versucht sich Johanna Kappsfeld die schlechte Geschäftslage schön zu reden. Denn ihr Neusser Geschäft "Kappsfelds Pilgerbedarf" läuft alles andere als gut. Der moderne Pilger investiert statt in Kartenmaterial auf Papier lieber in eine App fürs Smartphone. Eine Erbschaft könnte die drohende Insolvenz abwenden. Mit Tochter Marie fährt Kappsfeld zur Testamentseröffnung und trifft dort auf einen alten Rivalen: Jakob Kaminski, auch seine Spiritualitätenhändlerei Kaminski steht vor dem Bankrott. Er hat seine Tochter Klara mitgebracht. Erben wird nur, wer bestimmte Auflagen erfüllt.

Von denen erzählt das Stück "Jakobs Weg - Pilgern to go" von Jens Spörckmann, das im Theater am Schlachthof (TaS) in der Regie von Stefanie Otten Uraufführung hatte. Es ist in Kooperation mit Theatern in Kleve, Düsseldorf und Essen entstanden. Im TaS ist für das Stück ein aufwendiges Bühnenbild gebaut worden. Ein Triptychon lässt sich vom Wohnmobil zur Inneneinrichtung einer Kanzlei, eines Büros oder eines Krankenhauses umklappen. Es bietet trotz der vielen Spielorte des Stücks jederzeit die passende Kulisse.

Denn die Familien Kaminski und Kappsfeld erfahren, dass sie Nachfahren der Äbtissin Clara Maria von Essen sind, die seinerzeit auf ihrer Flucht nach Köln wertvolle Reliquien in Neuss zurückgelassen hat. Die alleine sind schon äußerst originell: Petrus Zahnstocher vom letzten Abendmahl gilt es genauso zu finden wie Quirinus' Schäufelchen für Pferdeäpfel. Daneben etabliert das Stück es mehrere Running Gags. Etwa den Namen der Anwaltskanzlei "Schmidt, Schmitt, Schmied, Schmitz und Partner".

Gehütet werden die Reliquien von verrückten Rheinländern. Da gibt es den seltsamen Antiquitätenhändler, den dauerfröhlichen Bestatter, den hektischen Arzt und den gebrechlichen Mönch. Alle gespielt von Wolfgang Wirringa. Die skurrilen und witzigen Eigenarten verkörpert er, ohne die Charaktere völlig zu überzeichnen. Die Rolle des ständigen Nebendarstellers macht ihn zum heimlichen Publikumsliebling.

Aber auch Ana Maria Gonzalez als Johanna Kappsfeld, Marlene Zilias (Maria), Bertold Kastner (Jakob Kaminski) und Julia Jochmann (Klara) machen ihre Sache gut. Die Chemie zwischen den beiden Töchtern etwa stimmt - was wichtig für die Entwicklung von Charakteren und Geschichte ist. Der Zuschauer spürt: Irgendwas ist zwischen den beiden.

Denn "Jakobs Weg" ist nicht nur auf Lacher aus. Die Komödie hat ernste Züge. Sie zeigt die Existenzangst der beiden Familien, die in einer schwierigen Branche unterwegs sind. Die Kommerzialisierung des Glaubens wird im Stück immer wieder ironisiert. Und dann ist das noch die Familienfehde, die natürlich einen ganz anderen Hintergrund hat als den von den Eltern vorgeschobenen Konflikt zwischen "bäurisch-katholischen Rheinländern" und "ketzerisch-debilen Westfalen".

Leider wird das am hastig erzählten Ende allzu plötzlich aufgelöst. Auch das Geheimnis um den Anwalt bleibt unerklärt. Doch das soll den Gesamteindruck nicht trüben: "Jakobs Weg" ist eine gelungene Komödie mit Lokalkolorit, starken Charakteren und schönen Anspielungen.

(NGZ)
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