Neuss Eine Chance für Imad

Neuss · Vor drei Jahren floh Imad S. als vermeintlicher Regimegegner aus dem Iran nach Deutschland. Seit Anfang November ist der 32-Jährige Auszubildender in einem Neusser Betrieb.

 Imad S. (32) hat im Sanitär- und Heizungsfachbetrieb von Michael Cleve eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker begonnen.

Imad S. (32) hat im Sanitär- und Heizungsfachbetrieb von Michael Cleve eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker begonnen.

Foto: Balsen

Es dauerte gerade einmal zwei Tage, bis Imad S. wusste, was zu tun ist. Der junge Praktikant aus dem Iran war mit zwei Monteuren für Heizungstechnik zusammen auf einer Baustelle in Neuss unterwegs. Und als er sah, was die beiden da machten, legte er schon das passende Werkzeug für die nächsten Arbeitsschritte bereit. Er wusste nicht, wie die Geräte heißen, geschweige denn, wie man sie ausspricht. Aber er wusste, was man mit ihnen tut.

Heute sitzt Imad S. (32) im Büro von Michael Cleve und ist nicht mehr Praktikant. Er ist jetzt Auszubildender. Er wird Anlagenmechaniker für Sanitär und Heizungstechnik. Drei Jahre nach seiner Flucht aus Teheran nach Deutschland hat er nun Anfang November die Ausbildung begonnen. "Er ist sehr eifrig und wissbegierig. Er hat sich direkt gut in der ganzen Mannschaft eingefunden", sagt Cleve (37). Der Juniorchef des Further Betriebs ist fürsorglich mit seinem neuesten Angestellten. Er möchte lieber, dass der Nachname in der Zeitung nur abgekürzt erscheint. Man kann ja nie wissen. Und er hat seiner Frau und der erst vier monaten alten Tochter einen Platz in der Krabbelgruppe besorgt. Das Wichtigste aber ist: Er hat Imad eine Perspektive, einen Job, gegeben. "Ich helfe, Leitungen zu legen und mache schon einfache Dinge selbst", sagt der 32-Jährige, und man merkt ihm an, dass er schon besser Deutsch versteht, als er es selbst sprechen kann. In dreieinhalb Jahren soll er fertiger Anlagenmechaniker sein.

Imad ist ein Musterbeispiel dafür, was in den kommenden Jahren vielen hundert oder gar tausend Asylbewerbern im Rhein-Kreis Neuss bevorsteht: Sie wollen arbeiten, müssen dafür aber integriert werden in den Arbeitsmarkt. "Gelingendes Ankommen", nennt das die Arbeitsagentur. Die Behörden stehen deshalb vor gewaltigen Aufgaben. In Neuss, Grevenbroich und Mönchengladbacher richtet die für den Bereich zuständige Arbeitsagentur derzeit mit viel Geld und zusätzlichem Personal "Integration Points" ein, die für Flüchtlinge wie für Unternehmer Anlaufstelle sein sollen. Dort wird an einer Stelle Integration in den ersten Arbeitsmarkt geplant, wie sie bei Imad mustergültig gelungen ist.

Bei dem 32-Jährigen begann das kurz nach der Flucht aus dem Iran nach Deutschland: In Teheran arbeitete er als Lithograf in der Druckerei seines Großvaters, als er von einem befreundeten Juristen den Tipp bekam, besser schnell das Land zu verlassen. Er stünde auf einer Liste mit vermeintlichen Regimegegnern. Imad grübelte viele Wochen, bis der Entschluss zur Flucht gereift war. Mit der Hilfe eines Schleppers kamen er und seine Frau im August 2012 über die Türkei per Flugzeug nach Hannover. Später zogen sie nach Neuss, wo ein Bekannter lebt.

Imad besuchte erste Deutschkurse im Nestor-Institut Neuss, da war er schon anerkannter Flüchtling. Erst versuchte er erfolglos als Drucker eine Anstellung zu finden, ein Verwandter riet ihm dann zum Handwerk. Im Iran, erinnert sich Imad, hatte er bei einem Freund schon einmal ein wenig im Heizungsbau geholfen. Die Sprach-Schule suchte daraufhin im Sommer 2014 einen Praktikumsplatz in einem Sanitärbetrieb, und fand ihn bei Cleve.

Dreimal war Imad seitdem als Praktikant bei Cleve, lernte fleißig weiter Deutsch, macht sogar seinen Führerschein in Deutschland neu. Zuletzt arbeitete er bereits als Minijobber in dem Betrieb mit elf Mitarbeitern. "Unsere Monteure waren begeistert von ihm, und mir war er sympathisch", sagt Cleve. Imad, der im Iran einen dem Abitur ähnlichen Schulabschluss gemacht hat, wollte mehr als jobben, irgendwann nicht mehr nur Helfer sein. "Ich möchte weiterkommen", sagt er.

Cleve suchte einen Auszubildenden und fand keinen passenden - gut eineinhalb Jahre nach dem Beginn des ersten Praktikums trat Imad dann seine Ausbildung in dem Betrieb an. Cleve lobt Imads rasche Auffassungsgabe und dessen mathematische Fähigkeiten. Einmal in der Woche besucht er den Unterricht im Berufskolleg für Information und Technik im Hammfeld, und zusätzlich absolviert er nun begleitende Qualifizierungen - etwa was die Fachbegriffe auf Deutsch angeht. Er lernt jetzt Grundbegriffe wie fachliche Arbeitsschritte. Und mit jedem Tag besser Deutsch.

Wenn Imad via Internet-Telefonie-Dienst Skype mit seinen Verwandten in der Heimat spricht, dann erzählt er ihnen von der Arbeit bei Cleve. Von der eigenen Wohnung, in der die junge Familie jetzt lebt. Von der Tochter. Davon also, wie Integration in Deutschland klappen kann.

(NGZ)
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