Neuss Einblicke in Martin Walsers Leben

Neuss · Als Jörg Magenau vor elf Jahren seine Martin-Walser-Biografie veröffentlichte, meldete der Deutschlandfunk: "Neues vom Bodensee". Der Radiokritiker lobte eine behutsame, gleichwohl souveräne Annäherung an einen bekanntermaßen komplexen Charakter. Über 600 Seiten, entstanden als Ergebnis einer "wunderbaren Zusammenarbeit und vielfältiger Gespräche", wie es im Vorwort heißt. Andere Rezensenten attestierten dem Biografen einige Schwächen da, wo er den Weg des politischen Essayisten und engagierten Bürgers Walser rekonstruiert.

 Walser-Biograf Jörg Magenau war zu Gast in der Stadtbibliothek.

Walser-Biograf Jörg Magenau war zu Gast in der Stadtbibliothek.

Foto: L. Berns

Jetzt war Jörg Magenau im Rahmen der Reihe "Neuss liest Walser" zu Gast in der Stadtbibliothek. Und es zeigte sich tatsächlich, dass er die kontroversen Fragen zu seinem Autor mit Vorsicht betrachtet. Mehrmals erwähnte Magenau die Rede Martin Walsers in der Frankfurter Paulskirche, wo er 1998 den Friedenspreis des Buchhandels erhielt. Auf die Nennung der Frankfurter Rede folgte dann aber keine weitere Kommentierung. Nun weiß man ja in Kreisen der Walser-Interessierten, dass der Schriftsteller seine damalige Rede bereut und so nicht mehr halten würde. Etwas mehr Klarheit hierzu hätte man sich aber von seinem Biografen gewünscht.

Dagegen fiel positiv ins Gewicht, dass Magenau sich aller Yellow-Press-Themen enthielt. Ob und wie viele Kinder Walser außerhalb seiner Ehe gezeugt hat, war in der Stadtbibliothek kein Thema. Wohl aber die kleinen und größeren Eitel- und Verletzlichkeiten der Literaten in der ihnen eigenen Welt. Zum Beispiel die Frage, wem von seinen Autoren der Verleger Siegfried Unseld in der Sylvesternacht als Erstem für das neue Jahr Glück wünschte. Oder die komplizierten Freundschaft Walsers mit Günter Grass. Magenau: "Grass ist der natürliche Antipode und auch der Freund von Martin Walser. Grass ist der Planende, Walser das krasse Gegenbeispiel." Während Grass es mit der "Blechtrommel" bis zum Nobelpreis geschafft habe, so der Biograf, habe Walser das eine große Buch nie geschrieben. "Wenn ich ein Hauptwerk nennen müsste, dann wären es Walsers unglaublich detailliert geführte Tagebücher."

Zum Schluss las Magenau das Kapitel über den "Lebenslauf der Liebe", den Roman also, der im Fokus des Neusser Lesemarathons steht. "Schnucke im Luxuspelz" titelte der "Spiegel", als der in Düsseldorf angesiedelte Roman 2001 erschien. Nur am Rande beschäftigten sich die Rezensenten mit der Frage, ob es für die Hauptperson Susi Gern, geborene Fahrenhold, ein reales Vorbild gibt. "Wen kümmert's?", hieß es, " ein Roman ist ein Roman." Biograf Jörg Magenau hingegen legt sich fest: "Diese Susi Gern hat es wirklich gegeben. Sie hat Martin Walser ihre niederschmetternde Lebensgeschichte geradezu aufgedrängt."

(cc)
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