Spenden-Aktion Ein Zwölfjähriger, der Freude schenkt

Neuss · Sajndn Sivarajah hat an der Realschule Südstadt ein Spenden-Projekt ins Leben gerufen, um Hilfsbedürftige an Weihnachten zu bescheren. Der Siebtklässler schrieb einen Brief an die Schulleitung - und sorgte für eine Welle der Hilfsbereitschaft.

 Sajndn Sivarajah zwischen 15 Kartons und drei blauen Säcken.

Sajndn Sivarajah zwischen 15 Kartons und drei blauen Säcken.

Foto: Lothar Berns

Sajndn Sivarajah sitzt auf einem Tisch zwischen Kartons und blauen Säcken mit kiloweise Cornflakes und Kuscheltieren, die Beine baumeln in der Luft, der Zwölfjährige kaut verlegen auf seinem Pullover herum. So hatte er sich das Ganze nicht vorgestellt. "Vorbild", heißt es aus der einen Ecke, "kleiner Held" aus der anderen. Dann sagt jemand "süßer Fratz" und der schüchterne Siebtklässler, der ungewollt im Mittelpunkt steht, versinkt pulloverkauend im Boden der Neusser Tafel an der Düsseldorfer Straße 50.

Vor zwei Wochen hatte er die Idee, an der Realschule Südstadt ein Projekt zu starten, um Hilfsbedürftigen eine Freude zu machen. Das Ergebnis ist erstaunlich: 15 Kartons und drei blaue Säcke an Spenden sind zusammengekommen. Dabei hatte alles ganz klein angefangen - mit einem Video und einem Brief. Denn der personifizierte "Geist der Weihnacht" war im Fall des Realschülers ein YouTuber: Leon Machère hilft in seinen Clips Obdachlosen in der Vorweihnachtszeit. "Ich dachte, die Möglichkeit dazu habe ich auch", sagt Sajndn, der einen Brief schrieb, liebevoll bastelte und ihn im Sekretariat der Schule abgab. "Ich habe im ersten Moment gedacht, es wäre ein Beurlaubungsantrag", sagt Konrektorin Sandra Klüser-Hanné augenzwinkernd. "Die Überraschung war groß, die Rührung noch größer." Sajndn schrieb, ihm sei bewusst, dass die Schule möglicherweise kein Geld habe, die Schüler aber spenden könnten. Die Realschule könne eine "sozialere Schule" werden.

 Der Siebtklässler nahm sich eine Stunde Zeit, um den Brief zu schreiben.

Der Siebtklässler nahm sich eine Stunde Zeit, um den Brief zu schreiben.

Foto: Berns, Lothar (lber)

Klüser-Hanné und Sajndn starteten einen Aufruf - mit Erfolg. "Erst standen nur ein paar Tüten in meinem Raum, dann mussten wir zu Kartons wechseln, am Ende war ein Bulli voll bis unters Dach", sagt die 33-Jährige. "Damit hatte ich nicht gerechnet." Die Eltern des Siebtklässlers, der die gesamte Realschule mobilisierte, fielen ebenfalls aus allen Wolken. Allerdings aus einem anderen Grund: Sie wussten von der Aktion gar nichts. "Ich habe anfangs nur meiner Schwester Sayanthiny davon erzählt", sagt Sajndn, der drei ältere Schwestern hat. "Ab und zu gebe ich mein Essensgeld Obdachlosen oder kaufe ihnen Pizza. Ich dachte, meine Eltern wären vielleicht nicht einverstanden", erklärt der Zwölfjährige. Das Gegenteil war der Fall. "Meine Mama hat für die Spende extra bei Aldi eingekauft, von Papa habe ich Schuhe bekommen." An den ersten Tagen hatte Sajndn noch heimlich die Vorratskammer geplündert; Spaghetti, Apfelsaft und Schokolade ins Sekretariat geschleppt.

In seiner Klasse erzählte er erst mal nicht, dass die Aktion seine Idee war. "Ich wollte nicht, dass mich alle für einen Schleimer halten." Jetzt ist er für die einen ein Held, für andere ein Vorbild. "Es gibt sehr viele Familien, die die Spenden gut gebrauchen können", sagt Lars Böttner, Ehrenamtler bei der Neusser Tafel, die dieses Jahr rund 500 Weihnachtspakete ausgibt. "Dass aber ein einzelner Schüler die Initiative ergreift und hilft, ist einmalig", betont der 37-Jährige. Für Sajndn war das erst der Anfang: Er denkt schon über sein nächstes Projekt nach.

JAN DOBRICK

(NGZ)
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