Neuss Ein Spiel um Macht und Tod

Neuss · Den Toten in den Königsdramen von William Shakespeare widmet die Bremer Shakespeare Company ein eigenes Stück mit dem Titel: "Shakespeares Könige. Mord Macht Tod".

Neuss: Ein Spiel um Macht und Tod
Foto: M. menke

Lasst uns (...) Trübes reden über'n Tod von Königen", das kündigte die Bremer Shakespeare Company mit den Worten ihres Namensgebers im Programmheft zu dem Drama "Shakespeares Könige. Mord Macht Tod" an. So war klar: Ein erbaulicher Abend würde es nicht werden, eher einer mit tiefen Einblicken in menschliche Abgründe. Dafür hatte sich Übersetzer Frank Günther bei Texten von Shakespeares Königs-Historien (von Richard dem Zweiten bis zu Heinrich dem Sechsten) bedient und ein neues Stück daraus geschaffen, in dem im übertragenen Sinne reichlich Blut floss. Denn jeder der Schauspieler, die alle mehrere Rollen übernahmen, musste mindestens einmal das Zeitliche segnen - meist als Darsteller von einem der vielen englischen Könige, die alle irgendwie von dem legendären Edward III. abstammten.

Dieser saß im 14. Jahrhundert mehr als 50 Jahre auf dem britischen Thron, danach wurde es unübersichtlich. Die sogenannten Rosenkriege brachen aus, weil jeder Zweig der Familie behauptete, einen gewichtigeren Anspruch auf den Thron zu haben als die anderen. Ihre Begründungen klangen höchst unterschiedlich: Während einer insistierte, seine Vorfahren seien älter, erklärte ein anderer, dass er in männlicher Linie von Eduard abstamme und ein dritter beharrte darauf, einer legitimen Ehe entsprungen zu sein.

Um sich klar darüber zu werden, wer da gerade auf der Bühne stand, musste das Publikum schon den Stammbaum im Programmheft im Blick behalten. Im Grunde erwies sich das aber als nebensächlich. Entscheidender war die Erkenntnis, das Blut keinesfalls dicker ist als Wasser - genau das Gegenteil des Sprichworts wurde augenscheinlich. Cousins zum Beispiel stellten schon per se eine Bedrohung dar, konnten sie doch schnell zu Konkurrenten um die Macht werden.

Das merkte gleich der erste König des Abends, Richard II., den Tobias Dürr als schnoddrigen Rocker in weißer Lederkluft spielte. Er begann einen mordlüsternen Verdrängungswettbewerb der königlichen Art: Vetter Bolingbroke (später Heinrich IV.), spröde und anspruchsvoll dargestellt von Ulrike Knospe, wurde verbannt, während der Richard II. seinen unbequemen Onkel John von Gaunt (Erik Roßbander) gleich ins Jenseits beförderte. Dorthin gelangte er selbst nach der Rückkehr des besagten Cousins schnell, damit jener sich die Krone aneignen konnte. Und so ging es gar nicht munter weiter: Kein König blieb lange im Besitz der Krone, weil schon sein Nachfolger wie das kriecherische Monster Golum in Tolkiens "Herrn der Ringe" nach diesem "Schatz" gierte. Die Bühnensprache spielte direkt darauf an.

Gewichtigstes Ausstattungsstück: Ein riesiger runder Tisch, auf dem die König abwechselnd thronten, über den sie schreiend stapften oder krochen, auf oder unter dem sie ihre Gegner oder Untertanen massakrierten. Mancher Mord wurde gar per Mikrofon anmoderiert, von bedrohlichem Getrommel oder akustisch verstärktem Schlachtengetümmel untermalt. Herausragend präsent im Reigen der eindrucksvollen Königsdarsteller: Petra-Janina Schultz, unter anderem als raumgreifender Richard III. Sie sprach am Schluss: "Ich bin ich selbst allein" - und machte so noch einmal den schrecklichen Egozentrismus der Mächtigen deutlich. Das Publikum applaudierte ausgiebig. Natascha Plankermann

(NGZ)
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