Neuss Ein rettender Weihnachtsengel

Neuss · Die Flüchtlingsthematik beherrscht die traditionelle "Engel"-Radierung des Neusser Grafikers Rolf Geissler. Dieses Mal hat er gleich drei Versionen geschaffen, weil sich die Lage fast wöchentlich geändert hat.

Die Arbeit des Grafikers Rolf Geissler an seinem traditionellen "Weihnachtsengel" sagt fast mehr aus als alle Diskussion über die Frage, wie Europa mit dem Flüchtlingsdrama umgeht. Gleich drei Versionen hat er in diesem Jahr geschaffen, jede zeigt den jeweiligen Stand der Diskussion.

In seiner Figur mit den recht ramponierten Flügeln spitzt der Künstler jedes Jahr zu, was ihn (und meistens auch die Welt) besonders stark beschäftigt hat. Dass es dieses Mal um die Flüchtlingsproblematik gehen würde, lag also auf der Hand. Aber wie? "Im Oktober ist die erste Idee entstanden", sagt Geissler. Damals machte die Welt noch einen recht hilflosen Eindruck, und so kam der Stier, der die Europa stiehlt, (mal wieder) zum Einsatz. Auf seinem Rücken sitzen drei mickrige menschliche Gestalten, die wie die drei Affen nichts sehen, nichts hören, nichts sagen wollen. Ausdruck dessen, so sagt Geissler, dass nirgendwo ein Konzept erkennbar gewesen sei.

Wenig später änderte sich die Situation insofern, als dass der Zeichner sein Augenmerk auf den Verursacher richtete: Syriens Präsident Baschar al-Assad, der wegen seines langen Halses lange Zeit auch "Giraffe" genannt wurde. Das ist natürlich was für die spitze Radiernadel von Geissler: Sein Assad, der seine Landsleute mal eben locker von einem Tablett schnippt, besitzt gleicher mehrere Hälse und Köpfe. Natürlich steckt in der Arbeit des überaus belesenen Geissler die Legende des Ungeheuers Hydra und seinen nachwachsenden Köpfen aus der griechischen Mythologie.

Fast wöchentlich habe ich etwas geändert, sagt Geissler. Trotz des hohen Aufwands für eine Kaltnadelradierung entstand dann auch noch ein drittes Engelchen - weil ihn die Welle der Hilfsbreitschaft in Deutschland beeindruckte. Diese dritte und letzte Figur trägt eine Kiepe, in die die Menschen hineinpurzeln. Also ist alles gut? Nein, nicht bei Geissler, denn natürlich fallen einige daneben oder gar unten durch. Und weil alle drei Radierungen das Thema des Jahres so prägnant wiedergeben, besteht Weihnachtsengelchen Nr. 34 eben aus drei Arbeiten. Wenn er seine Abschlussarbeit in der üblichen Auflage von 60 Exemplaren am Sonntag in seinem Atelier präsentiert, zeigt er nicht nur die Vorgänger (so sie noch da sind), sondern auch den Entstehungsprozess in Form von Skizzen. "Daran kann man sehen, wie aufwendig eine Radierung ist",sagt er.

Parallel zu Rolf Geissler hat auch Regina Bender Engelsfiguren entworfen. Mit dem feinen Pinsel oder Stift, mal an Kinderzeichnungen erinnernd, mal stärker ausgearbeitet. Auch sie kann mit spitzer Feder zeichnen: So manches Mal kommt ein Engel doch recht böse oder zickig daher. In "Reginas Weihnachtsstübchen", einem kleinen Kabinett in Geisslers Atelier, sind sie ausgestellt.

(hbm)
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