Neuss Ein raffiniert einfacher Macbeth

Neuss · Die Companhia do Chapitô aus Lissabon glänzt im Globe mit ihrem "Macbeth".

 Noch schaukelt die Lady entspannt, während Banquo und Macbeth überlegen, wie sie ihr die Hexen-Prophezeiungen beibringen.

Noch schaukelt die Lady entspannt, während Banquo und Macbeth überlegen, wie sie ihr die Hexen-Prophezeiungen beibringen.

Foto: Christoph Krey

Pechschwarz ist die Bühne. Nur drei Mikrofonständer glänzen im Licht eines einzelnen Scheinwerfers. Ein Lautsprecher, ein paar Kabel, die zu einem Reglerpult führen, drei Schauspieler, die wie verschämt die Bühne betreten - das reicht, um "Macbeth", eines der leichenreichsten Dramen von William Shakespeare zu spielen? Und ob! Nach nur 95 Minuten ist alles vorbei. Macbeth im Kampf getötet von Macduff, dessen Familie, Banquo, Lady Macbeth, König Duncan - alle hat es dahingerafft. Diese 95 Minuten haben es in sich, kaum einmal wird dem Publikum eine Verschnaufpause gegönnt - im Lachen.

Grundsätzlich zeigt das Globe-Publikum ja eine große Begeisterung nach den Aufführungen, klatscht und trampelt, was der Holzbau aushält. Aber dass sich alle Zuschauer fast gleichzeitig erheben, ist doch ungewöhnlich. Und in diesem Fall allemal verdient.

Dass in dem blutigen "scottish play", wie "Macbeth" gern außerhalb der Bühne genannt wird, eine Komödie steckt, klingt eigentlich unwahrscheinlich. Aber nur so lange, wie man die Inszenierung der portugiesischen Companhia do Chapitô nicht kennt. Sie hätte beim Shakespeare-Festival weit mehr als nur die zwei Aufführungen verdient gehabt. Zumal da die drei Schauspieler Duarte Grilo, Jorge Cruz und Tiago Viegas ein sehr gutes und verständliches Englisch sprechen.

Die Inszenierung von Companhia-Chef José Carlos Garcia (und John Mowat) bewältigt dabei eine Gratwanderung. Denn sie erzählt zum einen den Shakespeare'schen Ablauf des Dramas und hebt es zum anderen mit eigenwilligen, textlichen Ergänzungen und Kommentaren auf die Ebene einer herrlich funktionierenden Komödie. Ein bisschen respektlos, aber nicht ohne Verbeugung. Und stellt Fragen, die noch nie gestellt wurden: Warum erwähnt Shakespeare nie die Frau von Banquo? Kein Wunder, dass der nicht versteht, warum Macbeth das herrische Herbeirufen seiner Lady lieber ignoriert ...

Wer da von den dreien gerade welche Rolle spielt, spielt dabei keine Rolle. Alle drei tragen einen Kilt, der hochgezogen zum Mini-Rock wird, wenn sein Träger plötzlich zu Lady Macbeth mutiert. Die Mikrofonständer sind mal Pferde, mal Schwerter oder simulieren zusammen mit Lautsprecherbox und Schau-Spiel eine Schaukel. Verblüffend einfach - äußerst raffiniert ein- und umgesetzt.

Zudem sind Grilo, Cruz und Viegas Meister im Geräusche machen. Audio-Illusionisten, die wiehern, wie Geier schreien, vor dem Publikum eine Schlacht mit klingenden Schwertern oder eine Party mit großer Murmel-Kulisse zaubern (auch mit Hilfe eines Tontechnikers). Dazu kommt ihr tolles Spiel. Natürlich arbeiten sie mit Klischees - koketten Frauen, tumben Diener, martialischen Soldaten, aufsässigen Söhnen -, aber es wird nie übertrieben, sondern genau auf den Punkt gespielt. Die Bearbeitung steckt voller Ideen bis in die Rollenverteilung hinein. Wenn drei Darsteller drei Hexen plus Macbeth spielen müssen, gibt es ein Problem. Also wird die dritte im Bunde der "Schicksalsschwestern" kurzerhand in den Urlaub geschickt. Nach Spanien ... Wahrlich, dieser "Macbeth" ist Comedy at its best.

(hbm)
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