Heimatserie Die Werkstatt der Künstler

Neuss · Die Raketenstation ist eine Symbiose aus Ausstellungsraum und Künstleratelier. Mit der neuen Skulpturenhalle der Thomas-Schütte-Stiftung ist sie um eine weitere architektonische und künstlerische Besonderheit reicher.

Es muss was dran sein an diesem Ort, das man nicht fassen kann. Das das Herz berührt, die Seele aufatmen und den Geist frei schweben lässt. Künstler spüren das, aber auch Spaziergänger, die mit oder ohne Hund, mit oder ohne Fahrrad der Raketenstation zustreben und damit aus ihrem Alltag heraustreten, ohne es richtig zu merken. Klingt ein bisschen abgehoben? Vielleicht. Aber dieser Ort wie überhaupt der gesamte Kulturraum Hombroich, zu dem auch die Museumsinsel auf der anderen Seite der Landstraße und das verbindende Kirkeby-Feld gehört, hat etwas zumindest Enthobenes, das diese Welt ein bisschen unwichtiger macht - und beim Zu-sich-finden hilft.

Die Natur öffnet den Blick, er schweift die Kunst - und bleibt an ihr hängen. Wissen spielt keine Rolle, nicht mal Namen muss man kennen, es reicht das Schauen. Und das ist im Moment spannend wie selten zuvor. Denn nach der Eroberung des früheren militärischen Geländes vor 22 Jahren durch den Gründer der Stiftung Insel Hombroich, Karl-Heinrich Müller, und Künstler, die er angezogen hat, machen die jüngsten Ereignisse deutlich, dass die Raketenstation ein Zentrum für zeitgenössische und vor allem grenzüberschreitende Kunst geworden ist.

 Mit Werken des 2003 gestorbenen Künstlers Mario Merz eröffnet Bildhauer Thomas Schütte die neue Ausstellungshalle. Dafür und für sein eigenes Werk hat er eine Stiftung gegründet.

Mit Werken des 2003 gestorbenen Künstlers Mario Merz eröffnet Bildhauer Thomas Schütte die neue Ausstellungshalle. Dafür und für sein eigenes Werk hat er eine Stiftung gegründet.

Foto: Woi

Der Düsseldorfer Künstler Thomas Schütte hat eine Stiftung gegründet und damit möglich gemacht, dass Müllers Traum von einer schenkenden Gesellschaft ein Stückchen wahrer geworden ist. Denn die Schütte-Stiftung hat eine Ausstellungshalle auf der "Rakete" gebaut, deren ovale Form ebenso wie die Fassade aus Holz unter dem wie ein Chips gebogenen Dach den Nimbus nährt: Dort ist nichts wie anderswo. Innen ein Kunstraum und von außen ein Hingucker. Wenn der Bildhauer nicht so unprätentiös wäre, könnte man was von künstlerischem Selbstzweck murmeln. Aber nein, Thomas Schütte will oben nur Kollegen ausstellen. Nicht sich selbst.

Mit dem 2003 gestorbenen Italiener Mario Merz präsentiert er gleich ein Schwergewicht der internationalen Kunst. Merz' Arbeiten stehen in wichtigen Museen - nun aber sind seine Iglus, großflächige Wandarbeiten und Lichtinstallationen auf der "Rakete" zu sehen!

 Im Kloster auf der Raketenstation leben und arbeiten immer wieder Künstler als Gäste.

Im Kloster auf der Raketenstation leben und arbeiten immer wieder Künstler als Gäste.

Foto: lber

Mit Markus Karstieß und seinen bizarren Keramikarbeiten unter dem Titel "Irden" präsentiert die Stiftung Insel Hombroich dagegen im Siza-Pavillon einen in der Szene sehr etablierten jungen Künstler. Dass er schon einen Namen hat, ist weniger wichtig: Die Beziehung zu Hombroich muss es geben - und längst ist man dabei nicht mehr auf die Zeit unter Müller fixiert. Karstieß etwa war 2005 als Stipendiat von "Rakete"-Künstler Katsuhito Nishikawa in Hombroich, hat sich intensiv mit dem Wandrelief von Lucio Fontana beschäftigt und in der Folge Ton als seine Materie entdeckt. Was sich jetzt in der wunderbaren neuen Ausstellung zeigt.

Die Raketenstation ist nämlich auch ein Arbeitsplatz. Eine Werkstatt für Künstler, umgeben von Natur (derzeit Narzissen und demnächst blühende Obstbäume), die nicht nur bildende Künstler wie Karstieß anzieht, sondern auch Literaten und Musiker.

Der Werkstattcharakter erstreckt sich selbst auf fertige Kunsthausgrößen wie die Langen Foundation. Wenn etwa wie jetzt mit der Berlinerin Helen Feifel eine junge Künstlerin eingeladen wird und für den langgestreckten, eigentlich gar nicht so einfachen Japanraum Bilder und Plastiken schafft, die gefühlt nie woanders hängen oder stehen sollten. Bei der speziellen Architektur der Langen Foundation mit ihren Betonwänden wie auch bei der des Siza-Pavillon mit viel Holz und vielen Fenstern ist es immer wieder überraschend, wie gut Kunst jeder Art in ihr funktioniert - selbst die Jahrhunderte alte Statuen aus Ostasien im großen Ausstellungsraum des Tadao-Ando-Baus wirken wie selbstverständlich dahingehörend.

Alle Ausstellung werden am Sonntag (12-17 Uhr) eröffnet.

(hbm)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort