Neusser Woche Gymnasien Vor Der Rückkehr Zu G9 Die nächsten Versuchskaninchen kommen

Neuss · Jetzt also wieder G9. Als meine älteste Tochter 2013 im ersten G8-Jahrgang in NRW ihr Abitur machte, waren Schüler bei der Abiparade als "Versuchskaninchen" verkleidet unterwegs. Als ihre Schwester ein Jahr später zur Abifeier ging, waren die Schulen immer noch im Umbruch - und sollten es lange bleiben. Schulprogramme und Curricula zu ändern, das braucht Jahre. Setzt die kommende schwarz-gelbe Landesregierung nun wirklich zur Rolle rückwärts an und macht ungeschehen, worauf der damalige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers noch so stolz war, dann wird meine jüngste Tochter vielleicht schon zum letzten "Turbo-Jahrgang" gehören, der das Gymnasium nach acht und nicht erst nach neun Jahren verlässt.

Neusser Woche Gymnasien Vor Der Rückkehr Zu G9: Die nächsten Versuchskaninchen kommen
Foto: RP

Meine persönliche Bilanz: G8 ist anstrengend, aber kein Teufelszeug. G9 mag besser sein, entlässt vielleicht Schüler an Unis oder in die Berufswelt, die das Reifezeugnis etwas reifer in Händen halten und mit Blick auf ihre weitere Ausbildung mehr Plan haben als die "Turbo"-Abiturienten. Sicher ist nur: Das Schulsystem produziert die nächsten "Versuchskaninchen", Schülergenerationen, die sich entscheiden müssen zwischen dem neuen, alten G9-Standard und möglicherweise einer neuen G8-Elite.

Die könnte ihr Abitur an den Schulen machen, die von der durch CDU und FDP in Aussicht gestellten Ausnahmeregelung Gebrauch machen und beim "Turbo" bleiben. Wie viele Schulen das sein werden, ist unklar. Der Druck der Eltern, zu G9 zurückzukehren, wird vielerorts groß sein und letztlich Fakten schaffen. Dann geht's wieder los: Curricula, Pläne und Programme zurückentwickeln, passende Bücher anschaffen und, und, und.

Getan ist es damit aber noch lange nicht. Denn die Rückkehr zu G9 mit mehr Stunden und längerer Schulzeit macht nur Sinn, wenn in der zusätzlichen Zeit auch wirklich unterrichtet wird, wenn Stunden nicht ausfallen oder vertreten werden. Schulerfolg steht und fällt vor allem mit dem Faktor Mensch: Lehrer, Lehrer, Lehrer. Ob G8 oder G9 ist dabei eigentlich zweitrangig. Engagierte Lehrer haben - vorausgesetzt, sie hatten genügend Zeit und Kollegen - auch in der G8-Struktur mit ihren Schülern gute Ergebnisse erzielt.

Wer die Gymnasien erneut umbaut und damit echte Verbesserungen erzielen will, muss von Beginn an ins Lehrpersonal investieren. Schüler und Eltern werden sich vom Etikett G9 allein nicht blenden lassen, sondern kritisch hinschauen. Erfahrung haben sie damit ja genug... frank.kirschstein@ngz-online.de

(NGZ)
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