Neuss Die Fußgänger-Trainerin von Alunorf

Neuss · Ohne Handy am Ohr, immer gerade über die Straße, und immer nach hinten schauen - solche Grundregeln bringt Sylvia Brennicke den Mitarbeitern von Alunorf bei. Ihr Fußgängertraining hilft, schwere Unfälle zu vermeiden.

 Erdal Bayrak marschiert los, hat aber vorher nicht nach hinten geschaut: Sylvia Brennicke erklärt als Fachkraft für Arbeitssicherheit den Alunorfern, wie sie sicher zu Fuß gehen.

Erdal Bayrak marschiert los, hat aber vorher nicht nach hinten geschaut: Sylvia Brennicke erklärt als Fachkraft für Arbeitssicherheit den Alunorfern, wie sie sicher zu Fuß gehen.

Foto: Andreas Woitschützke

Wer zu Fuß geht, braucht eigentlich keinen Führerschein. Aber die Hinweise von Sylvia Brennicke. "Bitte benutzen Sie den Handlauf an der Treppe", sagt sie, wenn man sie im Gebäude der Werksfeuerwehr von Alunorf besucht und gleich am Eingang den ersten Fehler macht. Sylvia Brennicke ist Verantwortliche für Arbeitssicherheit in dem Aluminium-Walzwerk mit mehr als 2000 Beschäftigte. An diesem Tag zeigt sie einem knappen Dutzend Mitarbeitern, wie man zu Fuß geht und dabei sicher am Ziel ankommt. Dazu gehören mehr als zwei gesunde Beine - Aufmerksamkeit.

290 Fahrzeuge kurven jeden Tag über das Betriebsgelände, 2100 Fußgänger sind unterwegs - aber in diesem Jahr gab es erst zehn Arbeitsunfälle, die wenigsten davon eigentlich erwähnenswert. Seit mehr als zwei Monaten musste keiner mehr beim Arzt behandelt werden. Zur Belohnung werden Fahrräder in der Belegschaft verlost. Werkleiter Thomas Geupel erzählt das zuerst, und danach erst kommen Geschäftszahlen. Deshalb ist er begeisterter Fan des Zu-Fuß-Geh-Trainings und des Programms "24/7", das den Beschäftigten nahelegt, sich nicht nur im Betrieb so zu verhalten. Sondern auch in der Freizeit. "Als ich damit vor 20 Jahren begonnen habe, hat sich meine Frau über die Veränderungen in meinem Verhalten gewundert. Das steht Ihnen jetzt bevor", sagt er den "Geh-Schülern" zum Auftakt des Basistrainings Fußgänger - oder wie es in schönem berufsgenossenschaftlichen Umgangston heißt: Umsichtiges Verhalten bei der Fortbewegung im Betrieb. Auf dem Trainingsparcours beugt sich Erdal Bayrak (24), Arbeiter an der Kaltwalze, nach vorne. Er lugt nach rechts, nach links, ruft den Kollegen Gabelstapler und marschiert bei dessen Handzeichen los vorbei an den aufgestellten Hütchen. "Halt!", ruft Brennicke. Fast alles war richtig. "Man muss sich auch nach hinten umschauen", erklärt sie und erinnert an einen tödlichen Unfall vor mehr als zehn Jahren in einem anderen Betrieb aus dem Gesamtkonzern, bei dem genau das nicht geschehen war. Sie ist eine so freundliche wie engagierte Lehrerin und Helferin, die einem hungrigen Wolf ein Steak ausreden könnte - sofern das denn Sinn machen würde.

Sie erklärt ihren Schülern die wichtigsten Regeln für Fußgänger: Nie im Gehen telefonieren, eine Kurznachricht schreiben oder auf den Piepser schauen. Wenn das Telefon klingelt, bleibt man als Fußgänger am besten stehen und telefoniert in Ruhe. Wer die Richtung ändert, sollte anhalten und sich in alle Richtungen umschauen. Keine Abkürzung nehmen, auch wenn sie noch so verführerisch erscheint; nirgendwo durchzwängen, wo es eng ist. Grundsätzlich sollte man immer im rechten Winkel als auf dem kürzesten Weg über eine Straße gehen. "Wer schräg geht, bleibt umso länger im Gefahrenbereich", sagt sie. Das alles sind keineswegs Banalitäten. "Wenn man im Gabelstapler sitzt, dann hat man eben nur eine eingeschränkte Sicht", bestätigt Omar Siala (35), der an Warmwalze II arbeitet.

Nach eineinhalb Stunden Theorieunterricht, Praxistraining auf dem Parcours und in einer der Werkhallen sind die Alunorfer fertig mit dem Basistraining. Sylvia Brennicke und ihr Chef Manfred Heibutzki, Leiter der Arbeitssicherheit, geben den elf Alunorfern noch einen letzten Tipp mit auf den Weg durch den Betrieb und nach Hause: "Es gibt immer einen sicheren Weg. Wenn man nachdenkt."

(NGZ)
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