Neuss "Die CDU Neuss ist in traurigem Zustand"

Neuss · Libet Werhahn-Adenauer lebt seit 1950 in Neuss und ist in den 1970er Jahren auch in die Kommunalpolitik gegangen. Gut 20 Jahre war sie - unter anderen als CDU-Ratsfrau - aktiv. Heute beklagt sie den Zustand der Neusser CDU.

 Libet Werhahn-Adenauer hat mehr als 20 Jahre lang in Neuss Politik gemacht und begleitet sie immer noch.

Libet Werhahn-Adenauer hat mehr als 20 Jahre lang in Neuss Politik gemacht und begleitet sie immer noch.

Foto: Woi

Die Neusser Kultur, überhaupt die Neusser Politik, sind immer noch Themen, die Libet Werhahn-Adenauer nicht loslassen - auch viele Jahre nach ihrer Zeit als sachkundige Bürgerin und Ratsfrau der CDU. So beobachtet sie mit großem Interesse derzeit zwei Dinge: die Diskussion um die Erweiterung des Clemens-Sels-Museum verbunden mit der Chance, eine große Jugendstil-Sammlung nach Neuss zu holen, und den Zustand der Neusser CDU.

Die christdemokratische Partei ist und bleibt für die Tochter des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer ihre politische Heimat. Allerdings wünscht sie sich Persönlichkeiten, die mehr Mut haben. Diese vermisst sie grundsätzlich in der Politik, nicht nur auf Bundes- und Landesebene, sondern auch auf der lokalen. Dabei richtet sich ihre Kritik auch ausdrücklich gegen den amtierenden Neusser CDU-Vorsitzenden Jörg Geerlings.

Die CDU in Neuss sei "in einem traurigen Zustand", sagt die 87-Jährige. "Diese Klüngelei, dieses Netzwerkspinnen und Erst-mal-an-sich-denken, ehe man mutig eine programmatische Arbeit leistet - das ist doch furchtbar." Grundsätzlich bemängelt sie, dass sich Politiker "heute erst mal nach allen Seiten absichern", weiß aber auch, dass dieses Verhalten mit veränderten Bedingungen zu tun hat: "Wir leben heute in einer medialen Welt, in der alles viel schneller geht, der Druck viel höher ist."

Auch in der nachwachsenden Generation sieht sie nicht viele, die als Persönlichkeiten für die Neusser Parteiführung in Frage kommen: "Auch wenn sie sich für sehr bedeutsam halten." Sie ärgert sich zeitweilig so über die lokale CDU, dass sie gar erwägt, aus dem Ortsverband auszutreten - wenn sie denn grundsätzlich CDU-Mitglied bleiben könnte. Aber sie weiß auch, dass es schwierig ist, geeignete Kandidaten zu finden. "Ich gehöre zu einer alten Generation", sagt sie lächelnd, "und auch wenn ich versuche, Schritt zu halten - dafür sorgen schon meine Enkeln -, weiß ich doch, dass man niemanden aus dem Hut zaubern kann." So hofft sie, das aus der Jungen Union Menschen erwachsen, die geeignet sind, Führungspositionen auszufüllen.

In der Museumserweiterung sieht die 87-Jährige "eine echte Chance für die Zukunft der Stadt". Nicht nur weil sie weiß, dass schon die verstorbene Gründungsdirektorin des Clemens-Sels-Museum, Irmgard Feldhaus, die Jugendstil-Sammlung gerne gehabt hätte: "Sie passt auch perfekt zur Symbolisten-Sammlung des Hauses."

Dass der SPD-Bürgermeister Reiner Breuer aus dem Projekt ein Heimspiel machen wolle, dieses und jenes anführe und damit die Entscheidung hinauszögere, sei sicherlich "seinem Drang, alles anders zu machen", zuzuschreiben, meint Libet Werhahn-Adenauer. Sie hält es aber für richtig, die Abstimmung vom Fraktionszwang zu befreien: "Wer nach seinem Gewissen handelt, muss sich das gut überlegen, sonst schadet er sich selber."

Neuss habe es in der Vergangenheit immer noch geschafft, Neues auf die Beine zu stellen, meint sie: "Da braucht man nur an die Alte Post oder das Landestheater zu denken." Und immer hätte es Bedenken nach dem Motto ,Das können wir uns nicht leisten' gegeben, weiß sie aus eigener Erfahrung in der Kommunalpolitik. Aber richtig sei: "Die Stadt kann sich eine ganze Menge leisten. Man muss nur den Willen und den Mut haben."

(hbm)
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