Stunksitzung Die Adele von Neuss
Neuss · Stunk, wie er sein soll: Die Sitzung "Fack ju Kölle" des Theaters am Schlachthof ist scharfe Satire und beste Unterhaltung.
Oh Köln, wie tief bist du gesunken! Wenn Herr Piffel und Herr Poffel, diese selbsternannten Karnevalisten vom platten Land irgendwo zwischen Neuss, Kaarst und Korschenbroich, deine Anwälte sein sollen, kann das mit der Solidarität nichts werden. Aber es nützt nichts, die beiden Herren sollen die Jury davon überzeugen, dass es nicht zum "Köllexit" kommt, dem Ausschluss der Domstadt aus dem Rheinland wegen Unfähigkeit. Das verlangt nämlich Ministerialrat Dombrowski, der mit seiner Referentin Speißmann extra von Berlin angereist ist, um mit dieser Maßnahme die positive Bilanz der Bundesrepublik zu retten.
Eigentlich ist es ja immer dasselbe. Es gibt eine Rahmengeschichte, Szenen wechseln sich mit Songs ab, es wird geschimpft und gelästert über Politik und Politiker, menschliche Unzulänglichkeiten und globale Ungerechtigkeiten - und doch ist der Stunk des Theaters am Schlachthof jedes Jahr wieder ein einziges, wunderbares, buntes Überraschungsei. Mit den Kabarettisten Martin Maier-Bode (auch regie) und Jens Neutag sind als Autoren natürlich zwei Fachleute dabei. Sängerin Sabine Wiegang steuert kiebige Texte für angesagte Chartsongs bei, und das Ensemble mit ihr, mit Harry Heib, Jens Kipper, Franziska Lehmann, Dennis Prang, Carolin Stähler und Jens Spörckmann (dieses Mal ohne Ilva Melchior, sie macht eine Babypause) ist dermaßen gut aufgelegt, dass selbst kleine Versprecher zu Gags werden.
Gut drei Stunden Programm, gespickt mit Höhepunkten, wobei einer gleich zu Beginn die Zuschauer zum Jubeln bringt: Sabine Wiegand macht aus Adele's "Hello" ein Klagelied "Helau" gen Köln und zeigt einmal mehr, welch starke Stimme sie hat, die nicht imitiert, sondern sich eine Melodie aneignet, als ob sie für sie geschrieben worden wäre.
Die Flüchtkingskrise ist das beherrschende Thema beim Stunk, hat irgendwie auch was mit Köln zu tun, und wird mal amüsant und locker, mal bös und satirisch verpackt. Harry Heibs Auftritt mit der fröhlichen "Anita"-Melodie von Costa Cordalis auf den Lippen, aber "Pegida" im Text ("... heut ist die Nacht zum Feuerlegen da"...) lässt fast den Atem stocken. Der zynische Günther-Jauch-Show-Abklatsch "Und ab dafür" bringt dagegen die plumpe Stammtisch-Stimmung auf den Punkt. Für jede richtige Antwort (natürlich aus einer absurden Auswahl) des einfältigen Rüdiger werden in Hunderterschritten Asylanten ausgewiesen. Das tut weh, auch wenn es lustig ist - genau die richtige Mischung also, um Verstand und Gefühl zu beschäftigen.
Namikas "Lieblingsmensch" wird zu "Flüchtlingsmensch" ("Kompliment, dass du draußen pennst") und sogar Heinz Allein, der Unterhalter aus Glehn, gerät unter die Flüchtlinge. In München, wo er eigentlich auf einem Geburtstag singen sollte. Eine Glanznummer liefert Harry Heib in dieser Rolle ab, Klamauk, Satire und echte Empörung halten sich wunderbar die Waage.
Den Hype um "Star Wars" machen sich auch die Stunker zunutze. Wie gern möchten sie ein bisschen Macht: Yoda Schäuble, Von der Leia, Obi Wan KeGauck, Han Söder, Chewbacca Hofreiter. Aber R2SPD2 kann ihnen auch nicht helfen ("ist nur ein Haufen Schrott"), und sowieso machte ihnen Darth Mutti klar: Es gilt "Für immer Merkel" (auf "Für immer" von Kraftklub).
Für den lokalen Rundumschlag sind Dennis Prang und Jens Spörckmann von der "Ratshauskantine" zuständig. Und was beschäftigt den Facility Manager des Rathauses und den Stadtarchivar? Natürlich die letzten Monate unter Herbert Napp und der erste Monat des "Revolutionskalenders" unter Reiner Breuer. Davon hätte es ruhig ein bisschen mehr sein dürfen.
Dazwischen geht es immer wieder um dieses peinliche Köln, über dessen Verbleib im Rheinland schließlich abgestimmt wird. Plattgemacht wird es trotzdem - und wieder aufgebaut im Grevenbroicher Tagebau. Auf der kahlen Domplatte gibt es ein Benefizkonzert für die Kölner, die nun zu Flüchtlingen geworden sind. Und ein neues Dreamteam wird geboren: Doro Pesch (Wiegand) und Henning Krautmacher (Heib), die sich über "Mein Bier ist besser als deins"auf Bouranis "Auf anderen Wegen" versöhnen. Herrlich. Alles.