Neuss Der Kampf um den Botanischen Garten

Neuss · Godot, Koslowsky und die Küppers - die Komödie "Lieblings Platz" feierte im Theater am Schlachthof Premiere.

 Im TaS hatte die Komödie "Lieblingsplatz" von Markus Andrae Premiere.

Im TaS hatte die Komödie "Lieblingsplatz" von Markus Andrae Premiere.

Foto: TaS

Immer wartet man auf ihn. Aber dann kommt er ja doch nie. Außer bei Frau Küppers. Da ist er gekommen, dieser Godot. Also nicht Godot, sondern Koslowsky. Koslowsky mit Ypsilon. Aber nur einmal.

"Lieblings Platz", das neue Stück von Markus Andrae, das der künstlerische Leiter des Theaters am Schlachthof nicht nur geschrieben, sondern auch selbst inszeniert hat, ist vieles: Eine wunderbare Hommage an die Liebe, eine liebevolle Reminiszenz an Becketts Bühnenklassiker "Warten auf Godot", ein starkes Votum für den Neusser Botanischen Garten, zudem Mediensatire, Farce, Komödie, vor allem aber ist es ein grandioser Bühnenspaß, aberwitzig komisch, hervorragend gelungen, einfach ein herrliches zweistündiges Vergnügen.

Ökologisch bewusst, mit selbstkritischem Blick auf die eigene Klimabilanz, in praktisch-beiger Outdoorkleidung und wanderfesten Sandalen ist das Ehepaar Küppers eine liebevolle Persiflage auf die Generation der "Bestager": Nach einer gefühlten Ewigkeit von Ehejahren ist Sprache für beide nicht mehr Kommunikationsmittel, sondern auf Ellipsen- und Stoßseufzergröße eingedampft. Wie grell komisch es wird, wenn sich zwei in ihren Kurzfloskeln gründlich verfehlen, wusste nicht nur schon Loriot, dessen ältere Ehepaare Meister der sprachlichen Fehlpässe sind. Auch Andrae nutzt die Missverständnisse, Doppeldeutigkeiten und Absurditäten, die entstehen, wenn zwei nicht mehr miteinander sprechen, es aber zu tun glauben, sehr bewusst und feinfühlig. Nicht zuletzt deshalb ist Andraes neues Stück ein kleines Juwel für alle, die die feinen Doppeldeutigkeiten und Nuancen von Sprache zu genießen wissen.

Für die Darsteller ist es kein leichtes Ding, sprachliche Vieldeutigkeiten einerseits klar spüren, aber nicht zu hohlem Klamauk verkommen zu lassen. Und es ist wunderbar, wie souverän es Daniel Cerman als Waldemar Küppers, Caroline Keufen als seine Frau Esther, Tim Fleischer als Liveblog-Moderator Laurenz Glück und Monika Sobetzko als Medienfachfrau gelingt, die feine Balance zu halten.

Wie die Figuren Becketts sitzen Esther und Waldemar unter einem herbstlich kahlen Baum, picknicken "Schinkenschnittchen - Bio" und sinnieren über sich, das Warten und Godot alias Koslowsky von der Laienspielgruppe. Dass ein Investor ausgerechnet ihren Lieblingsplatz, den Botanischen Garten, "dieses bisschen Unkraut", roden und Luxusappartments bauen möchte, entfesselt allerdings längst verloren geglaubte Kräfte: Die alte Kampfbereitschaft aus den 1980ern ist eine Verjüngungskur für das Paar, lila Latzhose und kunterbunte Pluderhose sind schnell hervorgeholt und aus dem so herrlich zänkischen Ehepaar wird ein widerständiges Duo, das nicht nur alle Register zu ziehen weiß, sondern auch die Liebe zueinander neu entdeckt. Was "Koslowsky mit Ypsilon" damit zu tun hat und was Godot, zeigt diese frische, wilde, schöne Komödie.

(NGZ)
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