Neuss Der Hase und der Mensch

Neuss · In der Alten Post zeigt die Düsseldorfer Künstlerin Ulrike Zilly die ganze Bandbreite ihres Schaffens. Ihre Porträts - egal, in welcher Form - zeigen Hasen und Menschen. Auch Neusser Bürger haben Modell dafür gestanden.

 Für Ulrike Zilly ist der Hase eine Symbolfigur. Schon seit Jahren, und so porträtiert sie ihn ebenso immer wieder wie den Menschen.

Für Ulrike Zilly ist der Hase eine Symbolfigur. Schon seit Jahren, und so porträtiert sie ihn ebenso immer wieder wie den Menschen.

Foto: Andreas Woitschützke

Die Künstlerin ist so ganz nach dem Geschmack des Kurators Klaus Richter. Uneitel, lebhaft und vor allem unbekümmert alle Genre-Grenzen überschreitend. Ulrike Zilly macht Performances (dabei haben sich der Künstler Richter und Zilly vor Jahren kennengelernt), sie malt, sie zeichnet, sie bildhauert mit Ton, Metall und Holz. Ach ja, Holzschnitte macht sie auch noch. Das einzige, was die Ausstellung "Flugbegleiter - Im Herbst wächst das Hirn der Meise" in der Alten Post nicht abbildet, ist die Performance. Ansonsten ist alles vertreten: Ölmalerei, Zeichnung, Keramik, Holzschnitt, Metallplastik.

Wie wenig das mit Beliebigkeit oder Unentschiedenheit zu tun hat, sondern vielmehr mit einer großen Liebe zur bildenden Kunst in jeder Form, zeigen die Exponate. Denn irgendwie hängen sie zusammen, ist die Handschrift der Künstlerin - und wenn im übertragenen Sinn - überall erkennbar.

Zum Beispiel bei den Keramiken und den Porträts in Öl. Beide zeigen Menschen, lebende und gestorbene, sie unterscheiden sich eklatant in der Form - aber nicht im Wiedererkennungswert. Dabei bildet Zilly nicht das Augenscheinliche ab, sondern das, was diesen Menschen ausmacht. Bei Jonathan Messe, den Ulrike Zilly nachts in einem Stuttgarter Parkhaus gemalt hat ("und danach haben wir weiter Wein getrunken") hat sie die Wildheit eingefangen. Der Keramikkopf von Friedrich Nietzsche zeigt vor allem die Askese, Kaiserin Sisi aus Österreich trägt irgendwie den berühmten Zopf, sieht aber alles anderes als schön aus: "Sie hatte auch eine dunkle Seite, war melancholisch und gleichzeitig hochintelligent", sagt die Künstlerin, die auch lachend erzählt, dass die Arbeit bei einer Schau in Linz auf wenig Gegenliebe der Österreicher gestoßen war. Nachvollziehbar, denn um Schönheit geht es ihr nicht.

Auch die Neusserin Susanne Thywissen oder der Jüchener Fritz Behrens in Öl sind in Wesenszügen eingefangen, die sie genau in dem Moment gezeigt haben, als sie für Zilly Modell standen: "Mir ist es wichtig, einen Ausdruck von vielleicht 100 zu treffen, die diese Person ausmachen", sagt sie und ergänzt: "Das ist ihr, aber auch mein Tagesprofil." Wie veränderbar das ist, zeigen zu unterschiedlichen Zeiten entstandene Porträts des Düsseldorfer Metzgers Schlösser.

"Von Hasen und anderen Menschen" hätte Klaus Richter die Schau auch gerne genannt, denn Hasen gibt es zuhauf in dieser Ausstellung. Im oberen Stockwerk als wunderbare, großformatige Holzschnitte (die eigentlich Säge-Werke sind, weil sie mit der Säge aus einer Holzplatte ausgesägt wurden), Handabzüge - maximal zwei -, die dadurch Originale sind. Extra für die Neusser Ausstellung hat Zilly einen Keramikteller gemacht, der auch den von ihr kreierten Ausstellungstitel aufnimmt: Ein Hase breitet seine Beine wie Flügel aus.

"Kunst", so sagt es Ulrike Zilly, "ist für mich der Flugbegleiter." Des Lebens, müsste man hinzufügen, denn sie findet, dass die bildende Kunst dem Menschen hilft, den Alltag zu leben. Und der Hase ist seit Jahren schon eine Symbolfigur für sie. "Er steht für den Frühling, fürs Überleben mit Hakenschlagen, klug und schnell sein", sagt sie und gibt ihm zigfach eine Form in Ton, Metall oder in der Malerei.

Klaus Richter hat die Vielseitigkeit der Düsseldorfer Künstlerin mit einer so atmosphärisch dichten wie klug gehängten Ausstellung eingefangen. Er hat sich eben nicht, wie Zilly glücklich sagt, vom Markt, sondern von der Kunst leiten lassen.

(hbm)
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