Neuss Der größte Erfolg des Sommers

Neuss · Zur Lesung der Autorin Zsuzsa Bánk im Rahmen des "Literarischen Sommers", waren die Plätze in der Stadtbibliothek restlos ausverkauft - und die Autorin enttäuschte die Erwartungen ihres überwiegend weiblichen Publikums nicht.

 Die Autorin Zsuzsa Bánk las in der Stadtbibliothek aus ihrem Roman "Schlafen werden wir später".

Die Autorin Zsuzsa Bánk las in der Stadtbibliothek aus ihrem Roman "Schlafen werden wir später".

Foto: woi

Just an einem verregneten Abend des "Literarischen Sommers" war die Lesung in der Stadtbibliothek restlos ausverkauft. Die Schiebetüren des kleinen Vortragsraums hatte man zum Lesesaal hin geöffnet, was auch dauerhaft eine atmosphärische Verbesserung wäre. "Der Abend mit Zsuzsa Bánk ist für uns der größte Erfolg in diesem Sommer", freute sich Bibliotheksmitarbeiterin Marion Kallus. Ihre Kollegin Christine Breitschopf moderierte den Abend. Ein rein weibliches Podium, nur vereinzelt männliche Besucher, das passte blendend zum Roman "Schlafen werden wir später". In dem neuen Buch der Frankfurter Schriftstellerin Zsuzsa Bánk schreiben sich zwei gleichaltrige Frauen Anfang Vierzig, Freundinnen seit der Kindheit, über drei Jahre hinweg lange Emails.

Es ist ein Austausch, der keine Geheimnisse kennt, und damit ähnlich den Briefromanen früherer Jahrhunderte. Die Autorin erzählte, mit welcher Faszination sie etwa die 1684 erschienenen "Love-Letters between a Noble-Man and his Sister" von Aphra Behn gelesen hat, die Geschichte einer verzweifelten Liebe zwischen der Heldin und dem Mann ihrer Schwester. Seither stand der Mailaustausch als Grundlage eines neuen Werks für sie fest. "Es sollte hochpersönlich sein, sehr intim. Alles sollte erlaubt sein, ohne Tabus." Schwieriger als die über Emails erzählte Geschichte war für Bánk jedoch die Spracharbeit. Sie wollte für beide Frauen eine jeweils eigene Ausdrucksweise erfinden, aber: "Letztlich wollte ich ja schreiben wie Zsuzsa Bánk und nicht wie irgendjemand." Als die ersten Entwürfe fertig waren, zeigte sich indes zuviel Ähnlichkeit zwischen Márta und Johanna. Es folgte eine mühselige Bearbeitung, bis die Unterschiede deutlich genug wurden.

Die 52-jährige Autorin kam im schwarzen Sommerkleid zur Lesung. Leicht erkältet und mit Hustenreiz, wie sie entschuldigend sagte. Die von ihr gelesenen Ausschnitte des 700-Seiten-Buchs hatte sie so gewählt, dass die Zuhörer einen umfassenden Eindruck der Lebenssituation von Márta und Johanna erhielten. Der erste Brief, wie die meisten an den Randstunden des Tages oder der Nacht geschrieben, beginnt mit einem Paukenschlag: "Liebste Johanna, heute Morgen hat Simon gesagt, wäre er zehn Jahre jünger und hätte drei Kinder weniger, hätte er mich schon verlassen." Die Antwort ihrer bereits vom Mann verlassenen Freundin zeigt mehr Realitätssinn als Trost: "Simon wird seine Koffer nicht packen. Er wird weiterhin solche Sätze sagen. Noch gemeinere Dinge wird er denken und dir vielleicht nicht sagen." Das Männerthema aber beherrscht diesen Roman keineswegs. Beide Frauen, die selbst schriftstellerisch tätig sind, sehen sich in der Mitte ihres Lebens am Scheideweg angekommen: "Wie verrückt, wie unerklärbar verrückt unsere Lebenswege sich winden und kreuzen!"

Vor vier Jahren war die Autorin bereits einmal zu Gast im "Literarischen Sommer". Damals las sie aus ihrem Roman "Die hellen Tage". Ein begeisterter Kritiker beschrieb seine Lektüre so: "Ein Buch, dessen einziger Makel darin besteht, das es irgendwann aufhört". Nach der Lesung aus "Schlafen werden wir später" könnte man sich für diesen Roman ein ähnlich lautendes Urteil vorstellen.

(NGZ)
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