Neuss Der Gentleman und sein "Geschenkter Tag"
Neuss · Der Grevenbroicher Wolfgang Nass gewann bei der NGZ-Aktion einen Abend im RLT und durfte hinter die Kulissen blicken.
Braune Tweedjacke, braune Cordhose, dazu noch Hemd und Cardigan und ein Taschentuch elegant im Brusttäschchen verstaut. "Very british", Mr. Nass. Der Grevenbroicher erschien zur privaten Theaterführung im Rheinischen Landestheater (RLT) und zum Probenbesuch von Shakespeares Stück "Richard III." im feinsten Look — eben so, wie es sich für einen wahren Gentleman gehört.
Wolfgang Nass ist einer der Gewinner der NGZ-Aktion "Der geschenkte Tag", weshalb er von RLT-Chefdramaturg Reinar Ortmann hinter die Kulissen des Neusser Theaters geführt wurde. Des Weiteren stand Intendantin Bettina Jahnke, die "Richard III." inszeniert, als Gesprächspartnerin zur Verfügung und stellte sich den Fragen des "Kenners anglophoner Werke".
Wolfgang Nass gibt zu, tatsächlich ein gewisses Faible für Großbritannien, vor allem für Schottland zu hegen. Die Landschaft, die Tradition, die Kultur faszinieren ihn. Und die großen Schriftsteller der "Insel" hatten es ihm schon zu Jugendzeiten angetan. William Shakespeare - von ihm hat er so ziemlich alles aufgesaugt, das es zu lesen gibt. Deshalb gab es für Nass und Ortmann kurz nach der Begrüßung noch genügend Stoff, den beide diskutieren konnten.
"Richard III., das war doch der Böse, der durch Intrigen und Morde auf den Königsthron kam", weiß Wolfgang Nass, der sich sichtlich auf die Privatvorstellung freute. "Nicht ganz", korrigiert der Dramaturg den belesenen Grevenbroicher. Erst durch Shakespeares Stück wurde Richard III., der heute im englischen Leicester begraben liegt, der Nachwelt als so bösartig dargestellt. Auch der wohl bekannteste und meistzitierte Satz des Königs "Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd", den Richard III. auf dem Schlachtfeld kurz vor seinem Tod gerufen habe soll, ist Shakespeares Fantasie entsprungen.
Nach der Fachsimpelei vor der Theaterkasse begann die Führung durchs Theatergebäude. Erste Station war ein heller, für "Otto Normal" versteckter Treppenaufgang, der mit Motiven Michelangelos verziert ist. "Keine Originale, sondern Werke unserer Azubis, die ihre Abschlussprüfung gemacht haben", erklärt Reinar Ortmann. "Sie müssen beweisen, dass sie Körper wie Michelangelo zeichnen können."
Nächste Station war das Herz des Theaters: das Technikstudio, hoch oben über dem Zuschauersaal gegenüber der Bühne. "Von hier wird das Licht gefahren, wie wir beim Theater sagen", erklärte Ortmann, ehe der Weg zur Beleuchtungsbrücke eingeschlagen wurde. Die befindet sich in der Mitte des Saals ebenfalls über den Zuschauern. An der Brücke hängen etwa 200 Scheinwerfer, die die Bühne bestrahlen, rechnete Ortmann vor. Was während der Vorstellung dort oben passiert, bleibt dem Zuschauer auf ihren Plätzen verborgen.
Weiter folgt der Weg durch Gänge und Hinterzimmer, durch Requisitenräume und Maske, Umkleiden und Seitenbühnen mit etwa sieben Meter hohen Türen bis hin zur Bühne. Ein Aufzug in der Größe eines Lkw befindet sich auch hinter der Szene. "Damit bringen wir große Kulissenteile auf die Bühne", sagt Ortmann. Auf der Bühne angekommen, übernahm Regisseurin Bettina Jahnke. Sie wies auf Besonderheiten ihrer Inszenierung hin, ehe der Höhepunkt des geschenkten Tages begann: die Theaterprobe, bei der Nass im Zuschauerraum Platz nehmen durfte und somit die erste Vorstellung noch vor der Premiere genießen konnte. Verraten wurde aber nichts. Der einzige Zuschauer blieb Wolfgang Nass.