Neuss Den Blick für die Umgebung schärfen

Neuss · Mit der Schau "rear retina" des Foto- und Videokünstlers Jürgen Hille zeigt die Galerie "amschatzhaus" in Holzheim ihre mittlerweile 35. Ausstellung seit der Eröffnung 2009. Kirsten Adamek betreibt sie und ist heute sehr zufrieden.

 Jürgen Hille hat einen besonderen Blick auf seine Umgebung. Er erkundet zum Beispiel mit der Kamera Landschaften - ganz besonders hat es ihm die Erft in Grimlinghausen angetan.

Jürgen Hille hat einen besonderen Blick auf seine Umgebung. Er erkundet zum Beispiel mit der Kamera Landschaften - ganz besonders hat es ihm die Erft in Grimlinghausen angetan.

Foto: Jürgen Hille

35 Ausstellungen hat Kirsten Adamek organisiert, seit sie 2009 mit ihrer Familie das Gebäude an der Hauptstraße bezogen hat, das in Holzheim allgemein als das "am Schatzhaus" verortet wird. So kam Adameks Galerie dann auch zu ihrem Namen: "amschatzhaus".

35 Ausstellungen, alle gewissermaßen nebenbei gemacht, denn Adamek, die Architektur studiert hat, als Kunstberaterin und zum Beispiel im Programm "Schule und Kultur" arbeitet, betreibt die Galerie aus purem Enthusiasmus für Kunst und Künstler. "Wir haben uns etabliert" sagt sie zufrieden, freut sich, dass zu den Eröffnungen die Galerie sehr voll ist, die "Kulturnacht" neue Besucher ins Haus bringt, die Künstler gern kommen und vor allem auch solche von außerhalb der Stadt sich bewerben, weil sie von der Atmosphäre gehört haben.

Dabei geht es den Künstlern ebenso wie Adamek weniger um ökonomischen Erfolg. Sie sieht in ihrer Galerie "einen Experimentierraum, in dem die Künstler die Freiheit haben, sich auszuprobieren". Frei vor allem von jedem Gedanken, sich verkaufen zu müssen. Dass der Schwerpunkt dabei auf Malerei und Zeichnung liegt, bringen die Räumlichkeiten fast mit sich, aber Adamek macht Grenzen nicht an Genres fest, sondern an der Qualität: "Wir wollen eine gesunde Kunstmischung auf gutem Niveau." Und so freut es sie, wenn Künstler von sich aus auf sie zukommen, weil sie vom "amschatzhaus" gehört haben.

Insofern passt es also, wenn eine Bilderreihe der aktuellen Ausstellung den Titel "Atmosphäre" trägt. Es stammt von Jürgen Hille, 1961 in Düsseldorf geboren und seit geraumen Jahren in Neuss ansässig. Er ist ein Medienkünstler durch und durch - das legen seine Fotos und Videos nahe - , aber eigentlich ist er gelernter Bildhauer.

Im "amschatzhaus" zeigt er unter dem Titel "rear retina" neue Beispiele seiner Kunst: Neben drei Videoarbeiten, "vivid", "Infusion" und "rear retina II", sind großformatige Fotografien aus der Reihe der "Atmosphären" zu sehen: Stromschnellen, Steine im Wasser sowie vier mehrteilige Ensembles mit kleinformatigen Fotoarbeiten. Ebenfalls vorgestellt werden sein Blog und sechs Projektbücher.

Das ist Heimatkunst einmal ganz anders. Auf den ersten Blick hat sie damit nicht viel im Sinn, doch Hilles Foto- und Videoarbeiten sind nicht zuletzt ein Plädoyer dafür, die eigene alltägliche Umgebung intensiver wahrzunehmen, genauer hinzuschauen, um neue ästhetische Perspektiven zu gewinnen.

Hatte Hille zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn mit Gips, Wachs, Karton und Holz gearbeitet (bis 1993), so brachte ihn die filmische Dokumentation seiner Plastiken und Rauminstallationen zur Videokunst. Die Bildhauerei gab er (vordergründig) vollständig auf, denn mehr stimmt wohl, dass sich seine skulpturale Arbeit in den medialen Raum fortentwickelt hat. Denn seine Videos wirken durchaus wie Rauminstallationen. Das liegt schon an ihrer spezifischen Präsentation, aber auch und noch vielmehr an ihren Sujets.

Jürgen Hilles videografisches Sehen richtet sich schwerpunktmäßig auf Ortserkundungen: von Landschaften, von industriellen Räumen oder von menschlichen Arbeitszusammenhängen. Besonders die Erkundung des Erft-Areals hat es ihm angetan, seit Jahren beschäftigt er sich mit spezifischen Ansichten aus dem Terrain zwischen Wiesenwehr und Grimlinghauserner Erftmündung.

(hbm)
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