Neuss Das wahre Römer-Leben

Neuss · Die neue Ausstellung "Römer zum Anfassen" im Clemens-Sels-Museum nutzt viel moderne Technik, um die Lebenswirklichkeit von vor 2000 Jahren zu spiegeln. Sie wird am kommenden Sonntag um 11.30 Uhr eröffnet

 Fehlt nur noch der Körper: Auch Hilfe von rekonstruierten Kleidungsstücken wird den Römern von einest nachgespürt.

Fehlt nur noch der Körper: Auch Hilfe von rekonstruierten Kleidungsstücken wird den Römern von einest nachgespürt.

Foto: Lena Hogekamp

Die Panzerhemden hängen ein bisschen zu hoch, um dem Motto der Ausstellung gerecht zu werden: "Römer zum Anfassen" verspricht die neue Schau im Clemens-Sels-Museum, und in der Regel hält sie es auch. Der Archäologe des Hauses, Carl Pause, hat sie kuratiert und räumt mit Hilfe von Originalfunden, Rekonstruktionen und Installationen mit vielen Mythen auf, verhilft zu Fakten und verleitet zum Ausprobieren.

Dabei bedient er sich sehr moderner Mittel. Zum Beispiel eines 3D-Druckers, der die eiserne Reitermaske eines römischen Soldaten kopiert und wie echt aussehen lässt. Dagegen nimmt sich eine Hochglanz-Kopie wie Spielzeug aus, aus Indien stammt sie, wie Pause sagt. Denn dort, so erzählt er weiter, habe sich eine Industrie entwickelt, die private Römer-Kenner mit Kostümen und Ausrüstungsgegenständen versorge. "Sie können aber nur nach Fotovorlagen arbeiten", sagt er, was eben dazu führe, dass da ein fast modisch wirkendes, glänzendes Kettenschutzhemd produziert wird, das mit der daneben hängenden Rekonstruktion aus Metall und Lederstücken, die auf wissenschaftlichen Forschungen beruht, nicht viel gemein hat.

Doch auch diese können nur Momentaufnahmen liefern, gibt Pause zu. Denn alles basiert auf Interpretationen der Funde aus römischer Zeit: Ständig gibt es neue. Gleichwohl haben alle Forscher - zumindest mit Blick auf die militärische Ausrüstung - die gleiche Bezugsquelle: das Relief der Trajanssäule in Rom. Über 200 Meter winden sich die Bilder um die knapp 40 Meter hohe Säule: "Sie müssen mal bunt gewesen sein", sagt Pause, Farbreste zeugten davon. Ob aber so bunt wie das Abbild, das sich im Treppenhaus des Museums vom Keller bis in den zweiten Stück zieht, sei dahingestellt, denn laut Pause kennt man die Farbbestandteile nicht, kann sie nur vermuten. Eindrucksvoll ist das so oder so, auch wenn es in der Größe nur ein Viertel des Originals ausmacht. Und bietet so viel Stoff zum Gucken und Staunen.

Das gilt aber auch für die ganze Ausstellung. Per App lassen sich Selfies neben einem 3D-Römer in Lebensgröße machen. Jeder Besucher kann sich eine Furca - das Bündel des Legionärs - über die Schulter hängen. Münzen dürfen selbst geprägt und auch eine kleine Panflöte kann ausprobiert werden. Wer schon immer wissen wollte, wie es unter römischen Legionären gerochen haben könnte, öffnet ein entsprechendes Fläschchen ...

Die Ausstellung nutzt wahrlich alle Möglichkeiten, um die Lebenswirklichkeit der Römer nach heutigem Wissensstand "haptisch, akustisch und olfaktorisch", wie Museumschefin Uta Husmeier-Schirlitz erklärt, dazustellen. Zudem will sie mit Vorurteilen und alten Bildern aufräumen, wie sich etwa auch in Filmen spiegeln. Dazu wurde ein Mini-Kino aufgebaut, in dem ein Zusammenschnitt von mehreren "Sandalenfilmen" aus verschiedenen Jahrzehnten - bis hin zu Asterix & Co. - in einer Endlosschleife läuft.

Das Besondere an dieser Ausstellung ist zudem, dass sie ihren Anspruch, nämlich mit falschen Annahmen über das Leben der Römer aufzuräumen, nicht von hoher akademischer Warte aus formuliert. "Viele Menschen, die privat und als Hobby über die Römer forschen, haben sich ein immenses Wissen angeeignet", sagt Pause, und das hat er eingebunden, indem er deren Kleidung, Ausrüstungsgegenständen oder Bildern den gleichen Stellenwert einräumt wie den Originalfunden und wissenschaftlich fundierten Rekonstruktionen.

(hbm)
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