Andreas Müller Cannabis-Legalisierung als Jugendschutz?

Neuss · In seinem Buch "Kiffen und Kriminalität" wirbt Andreas Müller (54), bekannt als Deutschlands härtester Jugendrichter, für die Freigabe von Cannabis.

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Warum sind Sie für eine Legalisierung des Kiffens?

Müller Mein erstes Argument lautet: Es gibt kein Argument mehr für die Prohibition. Zweites Argument: Der Gesetzgeber wollte in den 70er Jahren einen Jugend- sowie einen Gesundheitsschutz erreichen. Das Gegenteil ist passiert.

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Inwiefern?

Müller Nach wie vor dürfen Hunderttausende Schwerkranke, die diese uralte Heilpflanze als Medizin benutzen könnten, sie nicht erhalten. Es gibt etwa 500 Menschen in der Bundesrepublik, die eine Ausnahmegenehmigung haben. Diese müssen Cannabis selbst bezahlen. Das kann aber keiner, der krank ist. Verwaltungsgerichte haben zwar geurteilt, diese Personen dürften anbauen. Doch die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Ihrer Ansicht nach bedeutet die Legalisierung von Cannabis auch Schutz für Jugendliche. Wieso?

Müller Das Gesetz wollte Jugendliche schützen. Das gelingt jedoch nicht, weil wir aufgrund der Prohibition keine vernünftige Prävention haben und auch keine gute Hilfestellung für die wenigen, die Cannabis tatsächlich übermäßig konsumieren, bieten können.

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Foto: dpa, David Ebener

Und was ist mit der Einstiegsdrogen-Theorie?

Müller Sie ist eine Mär und mittlerweile hinreichend wissenschaftlich widerlegt. Es ist so, als würde man permanent wiederholen: Die Erde ist eine Scheibe. Eine glatte Lüge wider besseres Wissen. Cannabis ist kein Teufelszeug, sondern die mildeste Droge überhaupt - weit hinter Alkohol.

Allein im Rhein-Kreis sind täglich Polizisten unterwegs, um alkoholisierte und unter Drogeneinfluss stehende Verkehrsteilnehmer herauszuziehen. Der Landrat sprach kürzlich von einer Quote von sechs bis zehn Prozent von Fahrern. Sehen Sie bei einer Legalisierung von Cannabis nicht die Gefahr, dass mehr Menschen zugekifft am Steuer sitzen?

Müller Nein. Das Gegenteil wird der Fall sein. Was heißt denn zugekifft? Cannabis baut sich im Körper sehr schwer ab und ist auch drei Tage später im Blut oder Urin feststellbar. Das heißt aber nicht, dass die jungen Leute akut intoxikiert sind. Auch ich nehme Leuten den Führerschein ab, die sich bekifft ans Steuer gesetzt haben. Wenn die aber vor zwei, drei Tagen geraucht haben, ist eine solche Strafe nicht okay. Nebenbei: Menschen, die unter Cannabis fahren, begehen wesentlich weniger Unfälle als jene Verkehrsteilnehmer unter Alkoholeinfluss. Solche Diskussionen machen mich wütend.

Woher kommt diese Wut?

Müller Polizeibehörden - und vor allem Innenminister wie Ralf Jäger in NRW - brüsten sich gerne damit, sie hätten Drogenkonsumenten erwischt. Aber zeitgleich haben sie keine Kräfte, um Intensivtäter in Düsseldorf, Köln oder sonst wo aus dem Verkehr zu ziehen. Ein Drogenfund von einem Gramm gilt bereits als aufgeklärtes Delikt. Das hebt die Statistik enorm.

Ihr Vater starb an den Folgen seiner Alkoholsucht, Ihr Bruder war jahrelang heroinabhängig. Inwiefern hat Ihr Kampf für eine Legalisierung etwas mit Ihrer Biografie zu tun?

Müller Mein Bruder ist Opfer der Cannabiskriminalisierung. Er war vier Jahre im Knast, weil er gedealt hatte. Dieses Stigma wurde er nie wieder los. Auch weil ich meinen Bruder rehabilitieren möchte, kämpfe ich für die Legalisierung.

Wann haben Sie zuletzt gekifft?

Müller Vor 1994. Ich will aber wieder kiffen dürfen. Wir haben eine allgemeine Lebenstendenz, die keine Freiheiten mehr zulässt, sondern nur noch eine Verbotskultur sondergleichen. Ich möchte aber ein Leben mit Risiken.

DAS INTERVIEW FÜHRTE BÄRBEL BROER.

(NGZ)
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