Neusser Bürger-Schützenfest Das Hubertus-Dorf

Es hat rund 250 Einwohner, besteht überwiegend aus Männern - und existiert genau fünf Tage im Jahr. An den restlichen 360 Tagen ist es ein einziger Parkplatz. Die Rede ist vom Hubertusdorf.

 Pause am "Biwakhauptquartier", wie der Güterwaggon auch gerne genannt wird. Jedes Jahr organisieren der Hubertusschützen-Zug "Wilddiebe" einen Waggon, der auf den Schienen am Wendersplatz parkt.

Pause am "Biwakhauptquartier", wie der Güterwaggon auch gerne genannt wird. Jedes Jahr organisieren der Hubertusschützen-Zug "Wilddiebe" einen Waggon, der auf den Schienen am Wendersplatz parkt.

Foto: Lothar Berns

Auf dem Wendersplatz in Neuss beziehen die Hubertusschützen über die Kirmestage ihr Quartier. Dort erholen sie sich von den langen Fußmärschen, glühen vor für die Party im Zelt und nehmen danach spät in der Nacht noch einen allerletzten Absacker. Kurz gesagt: Die Hubertusschützen sind immer da, wo Kirmes ist.

Den besten Überblick über dieses Dorf haben die "Quirinus-Ritter" und die "Kameraden 57". Die beiden Hubertuszüge teilen sich einen großen Container, der auf rund anderthalb Meter hohen Stelzen steht. Über eine Metall-Treppe geht es auf den Balkon des Containers. "Hereinspaziert", sagt Viktor Steinfeldt. Und schiebt noch schnell nach: "Aber sehen Sie uns die Unordnung nach. Das ist ein Männerhaushalt."

 "Wilddieb" Rene Kirstein legt eine kurze Pause in der Hängematte im Güterwaggon ein. Wie der Zug diesen organisiert, will er nicht verraten.

"Wilddieb" Rene Kirstein legt eine kurze Pause in der Hängematte im Güterwaggon ein. Wie der Zug diesen organisiert, will er nicht verraten.

Foto: Lothar Berns

Drinnen gibt es einen roten Tresen, Regale, Zapfanlage, Kühlschrank, eine Garderobe und eine Holzbank mit roten Kissen. Darauf liegt gerade Thorsten Reschke und verschläft den Besuch. Seine Kameraden finden das ziemlich lustig, lassen ihn aber schlafen. Die Stimmung ist jedenfalls gut, das wird sofort klar. "Das Hubertusdorf ist das Schönste was es gibt", sagt Viktor Steinfeldt. "Wir sind hier so nah dran am Geschehen und haben trotzdem einen schönen Rückzugsort."

Das sehen die "Quirinus-Jünger" genau so. "Dank des Hubertusdorfes stehen wir auch als relativ großes Korps sehr eng zusammen", sagt Karl-Heinz Moors. Nur wenn es Schützenfestmontag in ein Biwak geht oder zu einem der großen Bälle an den Festtagen, verlassen sie ihr "Dorf". Das Wichtigste ist immer da: Auf einer langen Kleiderstange hängen Jacketts und Uniformen - schön ordentlich. Ihr Bier dürfen sie sogar im benachbarten Frankenheim-Zelt kalt stellen. Im Hubertusdorf hat sich eben über die Jahre alles gut eingespielt.

Das Geräusch von Metall auf Metall dringt herüber. Nebenan schlagen die Jungs vom Hubertuszug "Wildfüchskes" Nägel in einen Baumstamm. Möglichst mit nur einem Hammerschlag. Wieder ein paar Meter weiter stärken sich die Hubertusschützen vom Zug "Spätzünder" mit Pflaumenkuchen (plus einer guten Portion Sahne) - und Bier. Es ist der Zug von Rainer Reuß jun., im vergangenen Jahr Schützenkönig. Da schwärmen seine Zugkameraden immer noch von der einzigartigen Königsparade.

Am Bauwagen der "Spätzünder" hängt das Logo des Zuges. Darauf sind nun fünf Kronen abgebildet - drei kleine und zwei große. Sie stehen für die drei Hubertuskönige und für die zwei Schützenkönige, die der Zug bereits gestellt hat: Schließlich war schon Rainer Reuß sen., der Vater von Rainer Reuß jun., Schützenkönig.

In dem Jahr, in dem die Nationalmannschaft ihren vierten Stern aufs Trikot bekommt, gibt es bei den "Spätzündern" die fünfte Krone, hat Oberleutnant Axel Zens versprochen - und tatsächlich, mit Rainer Reuß hat der Zug sein Ziel auch erreicht. Der Bauwagen des Zuges ist ziemlich beeindruckend eingerichtet. Es gibt eine richtige Einbauküche und Regale mit einem eigenen Fach für jedes Zugmitglied. Die aufgeklebten Namensschilder sagen genau, wem welches Fach gehört. Alles sehr ordentlich.

Thomas Havermann steht in der Küche, kocht Kaffee und mixt Cocktails. Caipirinha. "Der hat viele Vitamine", sagt er. Zum Rezept gehören schließlich auch Limetten. Havermann mixt nicht nur für den eigenen Zug, sondern auch gerne für andere Hubertusschützen. Denn gegenseitige Besuche gehören wie in jedem Dorf auch in diesem speziellen dazu.

Erst recht beim Hubertuszug "Wilddiebe". Deren "Quartiermeistern" gelingt es sogar, den Bauwagen mit Einbauküche und den höher gelegten Container in den Schatten zu stellen. Die "Wilddiebe" haben sich dagegen einen Güterwaggon organisiert. Rostbraun ist der, ohne Fenster und etwa 15 Meter lang. Während des Schützenfestes ist der auf den Schienen am Rand des Wendersplatzes geparkt. "Da kommen schon viele und staunen erstmal", sagt Leutnant Jürgen Otte. Nicht ohne Stolz, versteht sich.

"Aber zum Zug gehört natürlich schon irgendwie ein Waggon", sagt jemand. Klingt logisch. Wie der Schützenzug den Waggon organisiert hat, will Otte aber nicht verraten. "Ein bisschen Geheimnis muss schon sein", sagt er. Verschiedene Kosenamen hat der Waggon mittlerweile. "Verpflegungscamp" etwa. Aber auch "Biwakhauptquartier". Allerdings ist er innen nicht so perfekt ausgestattet wie etwa der Container.

Eine Hängematte ist aufgespannt, ein paar Stühle stehen herum. Beleuchtet wird der Waggon von roten und weißen Lampen. An der Wand hängt ein Schild: "Der Aufenthalt von Personen während der Fahrt ist verboten." Die Gefahr besteht zum Glück nicht. Aber wenn im Zelt die Party endet, soll sie hier häufig noch weiter gehen. "Hier spielt sich die meiste Zeit unseres Schützenfesterlebnisses ab" sagt Otte. Und nicht nur er findet, dass das Hubertusdorf eine tolle Erfindung ist. Dem schließen sich alle an.

(RP)
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