Am 21. April Blitzmarathon soll Raser stoppen

Rhein-Kreis Neuss · Das Jahr forderte im Kreis bereits drei Verkehrstote. Die Polizei will mit einem weiteren Blitzmarathon dagegen vorgehen.

Blitzmarathon 2016: Hier wird im Rhein-Kreis Neuss kontrolliert
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Blitzmarathon 2016: Hier wird im Rhein-Kreis Neuss kontrolliert

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Foto: A. Woitschützke

In diesem Jahr sind die Polizisten und Seelsorger des Rhein-Kreises Neuss besonders besorgt. Bis 2015 blieb die Todeszahl der Verkehrsteilnehmer konstant bei sieben. Im abgelaufenen Jahr erhöhte sich die Zahl aber deutlich auf elf Verkehrstote. Und das Jahr 2016 begann alarmierend. Im Februar zählten die Polizisten bereits drei schwere Unfälle mit Todesfolge. Die Fahrzeuge kamen jeweils von der Strecke ab und zerschellten regelrecht an Bäumen.

Eine schockierende Nachricht für Gerhard Kropp, der nur einen triftigen Grund nennen kann, warum die Todeszahl plötzlich steigt: "Erhöhte Geschwindigkeit". Um die Opferzahl zu verringern, bleibt ihm und seinen Kollegen nur die Unfallverhütung. Dazu zählt die Verkehrsunfallerziehung, wozu auch der in den vergangenen Jahren erfolgreich durchgeführte Blitzmarathon gehört. Der zweite europaweite Blitzmarathon wird am Donnerstag, 21. April, stattfinden. "Ich bin ein großer Befürworter des Blitzmarathons", sagt der Polizeibeamte Gereon Hogenkamp vom Opferschutz des Rhein-Kreises Neuss. "Denn er vermeidet für mich den Weg zu den Hinterbliebenen, um ihnen zu sagen, dass ihr Kind bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen ist."

Denn das tut er seiner Meinung nach zu oft. Nach einem Verkehrsunfall ist er der Überbringer der traurigen Nachricht. "Es tut mir leid, ihr Sohn ist tot", ist einer solcher Sätze, die er in seiner Laufbahn den Familienangehörigen immer wieder mitteilen musste. "Und jedes Mal blieb in dem Moment die Zeit stehen", sagt er. "Jedes Mal ist es, als wenn ich ihnen das Messer ins Herz stoße."

Elf Mal musste er oder einer seiner Kollegen des fünfköpfigen Teams des Polizei-Opferschutzes im vergangenen Jahr eine solche Nachricht übermitteln. Elf Mal blickten sie ungläubigen Müttern, Vätern oder anderen Angehörigen dabei tief in die Augen. Elf Mal erklärten sie den genauen Unfallhergang, wer Schuld hatte am Tod des Familienmitglieds. Elf Mal zu viel.

Als Grund für Unfälle auf den Straßen im Rhein-Kreis Neuss gilt immer häufiger der Blick aufs Smartphone, sagt der Leiter der Unfalldirektion im Rhein-Kreis Neuss, Gerhard Kropp. Heutzutage werde deshalb bei jedem schweren Unfall das Handy beschlagnahmt, um es auswerten zu können, wenn der Staatsanwalt es verlangt. Gereon Hogenkamp berichtet von einem Unfall mit zwei jungen Frauen. "Die letzte Nachricht, die die Fahrerin absendete, lautete: ,Wir sind gleich zuhause'." Dann knallte es. Die Frau überlebte zwar, ist aber schwerstbehindert, berichtet Hogenkamp und ergänzt: "Auch wir sind Opfer, die den Anblick der Verletzten und Toten ertragen müssen. Immer wieder."

Wenn Polizisten mit ihrer Arbeit, die Angehörigen zu informieren, am Ende sind, übernehmen die Mitarbeiter der Unfall-Seelsorge. Sie begleiten die Polizisten bei der Überbringung der Todesnachricht und helfen den Betroffenen beim Trauern und bei der Antwort um die Frage nach dem "Warum". Pfarrerin Angelika Ludwig und ihre 40 ehrenamtlichen Mitarbeiter kümmern sich oft über Jahre um die Familienangehörigen.

"Es gibt keinen Sonntag, keinen Geburtstag, keinen Feiertag im Jahr, an dem die Familie nicht an den Tod des Menschen erinnert wird", berichtet Angelika Ludwig. Und immer wieder bohren sich dieselben Fragen in den Kopf: "Wieso ist er nicht mit dem Bus gefahren, warum hast du ihm nur das Auto geliehen. Warum?" Fragen, an denen noch viele Jahre später eine Familie zerbrechen kann, sagt Angelika Ludwig. Zudem trauern nicht nur die Familienmitglieder, sondern auch Freunde, Bekannte oder Arbeitskollegen. "Einen Toten beweinen oft hunderte Menschen", sagt sie.

(NGZ)
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