Neuss Bert Gerresheim: Ein Leben mit Kunst

Neuss · Das Clemens-Sels-Museum ehrt den Düsseldorfer Künstler Bert Gerresheim zu dessen 80. Geburtstag mit einer Ausstellung. "Alles vexiert" zeigt mehr als 200 Arbeiten aus dem Atelier des Bildhauers und Zeichners.

Neuss: Bert Gerresheim: Ein Leben mit Kunst
Foto: Woitschützke, Andreas (woi)

Seinen Assistenten wundert es längst nicht mehr, dass der Düsseldorfer Bildhauer Bert Gerresheim bis zum heutigen Tag, wann immer es geht, das Clemens-Sels-Museum besucht. "Wie oft habe ich schon gesagt: Du kennst doch alle Bilder ganz genau!", sagt Francesco Ces Hernandes und lacht, "aber er liebt es so." Das ist auch dann zu spüren, wenn der Künstler selbst erklärt, warum er so glücklich ist, dass ausgerechnet das Neusser Museum ihm eine Ausstellung zum 80. Geburtstag ausrichtet. "Ich bin dankbar und froh, dass ich ich hier ein bisschen zu Hause sein darf", sagt er und fügt ein dicks Lob für Museumschefin Uta Husmeier-Schirlitz hinzu: "Ich habe mit meinen Werken die Buchstaben geliefert, und sie hat einen Text daraus gemacht." Dessen Überschrift lautet: "Alles vexiert".

 Bert Gerresheim ist im Oktober 80 Jahre alt geworden.

Bert Gerresheim ist im Oktober 80 Jahre alt geworden.

Foto: Woi

Denn darum geht es bei Gerresheim. Ob in seinen bildhauerischen Arbeiten oder in seinen Zeichnungen - er verzerrt das reale Abbild und reißt an ihm, bis es schief und offen ist. Gerresheim legt mit einer Art sechsten Sinn das Nichtsichtbare bloß. Nicht nur dieses einen Menschen, den seine Arbeit porträtiert, sondern des Menschen im Allgemeinen. Er bringt den Betrachter dazu, sich selbst Fragen zu stellen. Existenzielle Fragen: Wer bin ich? Was ist es, das mich ausmacht? Ob er Antworten findet, ist zweitrangig. Viel wichtiger ist es, diese Fragen, dieses In-sich-hineinhören überhaupt zuzulassen. Dann führen die Büsten und Bilder geradewegs zum innersten Kern dieser Reise ins eigene irrationale Da-sein.

Gerresheims Abbild vom Menschen bezieht dessen Zerrissenheit, dessen Fragilität und Vergänglichkeit ein. Viele seiner Arbeiten haben eine zutiefst christliche Komponente, sind geprägt von seiner Beschäftigung mit den Lehren des Franz von Assisi. Gerresheim idealisiert nicht, sondern sieht den Menschen in seiner Fehlbarkeit - aber mit der Geste eines Suchenden, der verstehen will. Etliche Beispiele in der Ausstellung zeugen davon.

Zum ersten Mal wird auch das komplette Konvolut "Extramundi - eine Jenseitsreise" von ihm gezeigt, das er vor zwei Jahren dem Museum geschenkt hat, aber damals - wegen der sanierungsbedingten Schließung - nur mit wenigen Blättern präsentiert werden konnte. Jetzt empfangen alle 99 Blätter den Besucher im Treppenflur der zweiten Etage und sind eine wundervolle Einführung in die Bilderwelt von Bert Gerresheim. Mit einem schlichten Holzregal hat Husmeier-Schirlitz zudem ein bisschen Atelieratmosphäre ins Museum gebracht. Abgüsse, Spielzeug und auch Bücher - alles Originale aus Gerresheims Atelier - zitieren das Umfeld, in dem der Künstler arbeitet.

Mehr als 200 Exponate hat Gerresheim selbst für die Ausstellung ausgesucht, die Husmeier-Schirlitz zu fünf Gruppen zusammengefasst hat. Porträts, Torsi, Monumente, Bilder und Grotesken - "alles vexiert". Dadurch wird die Ausstellung in der zweiten Etage zu einem Rundgang durch Gerresheims Schaffen, das im Grunde schon in der Schulzeit begann, als die Mutter erkannte: Der Sohn würde nie dazu taugen, ihr Geschäft zu übernehmen. "Meine erste Arbeit war ein Gipskopf von Hector Berlioz in Mutters Küche", sagt Gerresheim lachend. Schon in der Schulzeit lernte er Otto Pankow kennen, aber dennoch: "Priester oder zur Post gehen" - das waren seine beruflichen Möglichkeiten. Priester in einem Orden wäre er gerne geworden, "aber dann kamen die Irren dieser Welt dazwischen". Die Nähe zum Christentum hat sich sein Leben lang gehalten.

Nicht weniger Einfluss haben andere Künstler auf ihn gehabt. Der belgische Maler James Ensor gehört dazu. Über ihn und mit ihm hat der Düsseldorfer zigfach gearbeitet: Die Büste von "James Ensor mit Palettenhut" ist ein Beispiel, das "Oostender Stundenbuch", dessen Originalzeichnungen er dem Sels-Museum geschenkt hat, ein anderes. Ensors Malkunst zog ihn schon in seiner Studienzeit ins Neusser Haus. Schmunzelnd erinnert er sich an Irmgard Feldhaus, die ihn eines Tages ansprach und neugierig fragte, was ein so junger Mann wie er so oft in ihrem Museum machte ...

Das war, wenn man so will, der Beginn einer tiefen Freundschaft zu diesem Haus, dem jetzt mit Husmeier-Schirlitz die vierte Frau vorsteht: "Was einen großen Unterschied zu männlichgeführten Museen macht", sagt Gerresheim, "denn Frauen helfen uns, sehr viel umsichtiger mit allem umzugehen."

(hbm)
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