Neuss Australier in Neuss: "Leben wie die Locals"

Neuss · Helen und Eric Smalley aus Melbourne wollen insgesamt zwölf Monate in Grimlinghausen leben. Warum es ihnen in Neuss so gut gefällt.

 Helen und Eric Smalley haben ihre warme, australische Heimat für ein Jahr gegen eine Etage im Haus der Neusserin Monique Abeels getauscht.

Helen und Eric Smalley haben ihre warme, australische Heimat für ein Jahr gegen eine Etage im Haus der Neusserin Monique Abeels getauscht.

Foto: woi

Er wollte doch nur helfen. Aber als Eric Smalley an jenem Morgen einen Hammer in die Hand nimmt, und damit lautstark die schiefen Steine im Garten wieder gerade klopft, rennt Monique Abeels aufgeregt aus dem Haus: "Was machst du denn da, es ist doch Sonntag", ruft sie. Eric Smalley schaut sie verwundert an. Dass sonntags kein Lärm erlaubt ist, woher soll der Australier das auch wissen. Sonntags, sagt er einige Wochen später lachend, da arbeite man an Haus und Garten.

Es ist eines der wenigen Male, an denen sich der Australier und seine Frau Helen über die Deutschen wundern. Schon seit Juli wohnen die beiden 65-Jährigen in Neuss, genauer gesagt in Grimlinghausen im Haus von Monique Abeels. Noch bis zum Sommer will das australische Rentnerpaar bei der Neusserin bleiben: ein Jahr Deutschland, ein Jahr leben "wie die Locals", also wie die Deutschen - das ist ihr Vorhaben.

Eigentlich leben die pensionierte Geschichtslehrerin und der ehemalige Reisekaufmann auf der Mornington Peninsula nahe Melbourne, ganz im Süden von Australien. Doch nun gilt: Rheinufer statt Sandstrand. Vor 43 Jahren haben sich das australische Paar und Monique Abeels in einem Hostel in Holland kennengelernt. Seither haben sie sich mehrmals besucht, waren zusammen auf Reisen in Oman und Kenia. Vor drei Jahren wurde dann der Sohn der Australier für ein Projekt nach Mannheim geschickt, blieb erst ein paar Monate, dann immer länger. Und so kamen die Eltern auf die Idee, als Rentner selbst einmal länger nach Deutschland zu kommen. Monique Abeels, deren Mann vor zehn Jahren verstorben ist und deren drei Kinder inzwischen ausgezogen sind, bot ihr Haus kurzerhand als Ausgangsbasis an. Eine ganze Etage des Einfamilienhauses hat das Ehepaar für die zwölf Monate bezogen: Schlafzimmer, Wohnzimmer, Bad und Kaffeeküche haben sie für sich. Die große Küche im Erdgeschoss und das Wohnzimmer teilen sie sich mit Abeels.

Neben monatlichen Besuchen beim Sohn in Mannheim und Reisen nach Berlin, in die Eifel oder nach Belgien, entdecken die Australier vor allem Neuss. "Die Stadt hat einfach alles", sagt Helen begeistert und zählt auf: die römische Geschichte, das Schützenfest, den Kaneval, das Clemens-Sels-Museum, die vielen historischen Denkmäler, Konzerte im botanischen Garten und im Zeughaus. Auch die Fahrradrouten seien toll, das Fahrradfahren längst zur täglichen Routine geworden - am liebsten durch die Felder. "Es ist wundervoll, wie die Natur sich mit den Jahreszeiten verändert", sagt Helen begeistert.

"Grimlinghausen ist ein Zuhause für uns geworden", sagt Eric. Nur auf das Wetter waren die Australier nicht vorbereitet. Als es kälter wurde, kauften sie neue Jacken und warme Schuhe. Eric vermisst ein wenig die Wärme in Australien. In Neuss, sagt er lachend, sei sein Lieblingsort derzeit der Eingang der Galeria Kaufhof. "Alle Leute rennen da vorbei, aber ich bleibe unter dem warmen Luftstrahl stehen." Auch die Sonntagsruhe hat der Australier inzwischen zu schätzen gelernt. "Man kann sonntags einfach auf dem Sofa liegen und man braucht sogar keine Ausrede dafür."

(mre)
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