Neuss Alterspräsidentin mit Lampenfieber

Neuss · Die FDP-Stadtverordnete Heide Broll (77) wird heute Bürgermeister Reiner Breuer den Amtseid abnehmen.

 Heide Broll hatte die Kleiderfrage schon gestern entschieden.

Heide Broll hatte die Kleiderfrage schon gestern entschieden.

Foto: Woi

Wann immer die Nervosität in diesen Tagen von Heide Broll Besitz zu ergreifen droht, rettet sie stets ein Gedanke: "Es geht ja nicht um mich, es geht um den Bürgermeister". Doch diese Erkenntnis ist ein unzureichender Lampenfieber-Blocker, denn es ist Broll, die heute im Rat als erste im Zentrum des allgemeinen Interesses steht. Als Alterspräsidentin ist sie nämlich aufgerufen, dem neuen Bürgermeister Reiner Breuer den Amtseid abzunehmen. Ihre "Anti-Bammel-Strategie": Gute Vorbereitung. Auch wenn sie bis gestern Mittag kaum einen Satz zu Papier gebracht hatte.

Die erste Frage, die die FDP-Stadtverordnete an den Rat zu richten hat, wird eine rhetorische sein. Aber sie muss sie stellen: "Ist hier jemand älter als ich?", wird sie fragen und dabei selbst ihr eigenes Alter preis geben. Das fällt keiner Frau leicht, doch Broll muss - um ihren Anspruch zu untermauern, diese Sitzung eröffnen zu dürfen. 77 ist sie, und natürlich weiß sie, dass unter den 68 anderen im Stadtrat keiner reicher an Jahren ist.

Das war schon geklärt, als Breuer seine Ratskollegin vor dem Hansefest mit der Frage überrumpelte, ob sie ihn vereidigen würde - und nicht einer der beiden stellvertretenden Bürgermeister (mit CDU-Parteibuch). "Das ist mir eine große Ehre", antwortete Broll, die sich zwar Alterpräsidentin nennen darf, dem Rat aber erst seit 2004 angehört. Als Bedienstete des Landeswirtschaftsministeriums durfte sie nämlich kein politisches Mandat ausüben. So wurde Heide Broll FDP-Vorsitzende in Neuss. Das aber blieb sie mehr als 20 Jahre lang.

Broll sagte zu, aber da schien der heutige Tag noch weit entfernt. Doch die Aufgabe wurde schnell konkreter. Aus dem Büro des Bürgermeisters kam schon kurz darauf die Aufforderung, zur Eröffnung der Ratssitzung nach parlamentarischem Brauch auch etwas zu sagen. "Ich werde keine große programmatische Rede halten", stellt Broll klar, die wohl aber etwas Wohlwollendes loswerden will. "Ich werde Reiner Breuer sagen, dass mir sein Slogan ,Für mehr Transparenz´ gefallen hat", sagt Broll, die ihre Kollegen im Rat aufrufen will, "ihn nach Kräften zu unterstützen und keine kleinlichen Klüngeleien anzufangen." Bevor es aber so weit ist, hat Broll einige Formalitäten zu klären: Sie muss die Altersfrage stellen, klären, ob im Ratssaal fotografiert werden darf und wer Einwände dagegen hat, dass die Sitzung - erstmals - live im Internet übertragen wird. Auf dieses "Vorher" freut sie sich weniger als auf das "Nachher", wenn sie Breuer die Bürgermeisterkette umhängen darf. Damit ist ihr Job nämlich schon fast erledigt. Die Wahl des zweiten stellvertretenden Bürgermeisters und die Verpflichtung von Marita Richter, die auf Breuers Sitz im Stadtrat nachrückt, ist anschließend schon Chefsache.

Die Rede ist das eine, die Kleiderfrage ein ganz anderes und genauso wichtiges Thema (für Frauen). Und natürlich hat Heide Broll, die auch schon beim Friseur war, diese längst beantwortet. Sie wird einen dunkelblauen Hosenanzug tragen. Mit all ihren Orden. "Denn dafür hat man die schließlich", sagt Broll.

(-nau)
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