Neuss 100 Jahre nach dem Krieg: Neusser Glocke für Leuven

Neuss · In der Parkabtei soll bis 2018 ein Carillon wiedererstehen, das 1914 beim Brand der Stadt Leuven zerstört worden war.

 August 1914: Soldaten des "Zweiten mobilen Landsturm-Infanterie-Bataillons Neuß" posieren vor Ruinen am Löwener (Leuvener) Bahnhofsplatz.

August 1914: Soldaten des "Zweiten mobilen Landsturm-Infanterie-Bataillons Neuß" posieren vor Ruinen am Löwener (Leuvener) Bahnhofsplatz.

Foto: Stadtarchiv Neuss

Das Bild von den "geborstenen Glocken von Flandern" stand für die Kriegsgräuel, die deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg im besetzten Belgien begingen. Sie barsten bei dem Brand, mit dem auch Angehörige des "zweiten mobilen Landsturm-Bataillons Neuß" am 25. August 1914 die flandrische Stadt Leuven (Löwen) in Schutt und Asche legten. In diesem Feuer ging auch ein Glockenspiel unter, das nun als Friedensglockenspiel wiedererstehen soll. Am 11. November 2018, auf den Tag genau 100 Jahre nachdem Glocken in Belgien, Frankreich und den Niederlanden den Frieden verkündete, soll es erstmals erklingen.

 In der "Laterne", dem obersten Aufsatz des Kirchturmes, soll das Glockenspiel eingerichtet werden.

In der "Laterne", dem obersten Aufsatz des Kirchturmes, soll das Glockenspiel eingerichtet werden.

Foto: Peter Fischer/Stadt Neuss

Den Startschuss zu diesem Projekt gab Louis Tobback, Bürgermeister von Leuven, am Donnerstag in der Norbertinerabtei van Park. In deren Kirchturm, wo dieses Carillon genannte Glockenspiel von 1730 bis zur Verlegung in die Leuvener St.-Petri-Kirche am Ende des 19. Jahrhunderts gespielt worden war, soll das neue Instrument nämlich wieder seinen Platz finden. 40 Glocken mit einem Gesamtgewicht von fast zehn Tonnen soll es haben, gut 400.000 Euro wird es kosten.

 Prior Jozef van Osta, Verena Metze-Mangold, Jos Daniels, Reiner Breuer und Louis Tobback (v.l.)

Prior Jozef van Osta, Verena Metze-Mangold, Jos Daniels, Reiner Breuer und Louis Tobback (v.l.)

Foto: Stadt

Als ersten Partner konnte Tobback die Stadt Neuss begrüßen. Für diese sagte Bürgermeister Reiner Breuer einen besonderen Beitrag zu: In Verantwortung vor der Geschichte, so Breuer, wird Neuss eine der beiden größten Glocken stiften. Die könnte Quirinus-Glocke heißen, bot Breuer mit Blick auf den Neusser Stadtpatron an, der auch in der Parkabtei Leuven seit dem Mittelalter verehrt wird. 40.000 Euro wird die Glocke kosten, für die Rat und Verwaltung nun im Wort stehen. "Ich hoffe, dass wir die Bürger motivieren können, über die eine Glocke hinaus eine zweite zu spenden", sagte Breuer. Ihm liegt auch die Zusage aus der Düsseldorfer Staatskanzlei vor, dass auch das Land dieses grenzüberschreitende Friedensprojekt unterstützt. "Zumindest ideell", sagt Breuer.

Die Quirinusglocke und eine zweite, von der Stadt Leuven in Auftrag gegebene Glocke sollen über die gemeinsame Inschrift "Mögen diese Glocken den Frieden und die Zusammengehörigkeit fördern" verbunden werden. Von "bronzenen Geschwistern" sprach deshalb Marc Vervenne, Ehrenbürger der Stadt und Ehrenrektor der Universität Leuven. Er wird als Vorsitzender der flämischen Unesco-Kommission das Projekt ebenso unterstützen wie Verena Metze-Mangold, die deutsche Beauftragte dieser Kulturorganisation der Vereinen Nationen. Diese hob hervor, dass die Initiative auf der Freundschaft zweier Städte fußt, die eine gemeinsame und wechselvolle Geschichte eint. "Dieses Carillon ist daher ein starkes und nachhaltiges Symbol der Versöhnung", sagte sie.

Anders als frei schwingende Glocken werden Glocken in einem Carrillon über einen Spieltisch von Hand um Klingen gebracht, erklärt Luc Rombouts, der als Carilloneur die vier bereits bestehenden Glockenspiele Leuvens betreut. Zwei gehören der Universität, eines kam nach dem Zweiten Weltkrieg mit Geld aus den USA zustande.

Die Verstrickung Neusser Landsturmsoldaten in die Zerstörung Löwens war lange ein blinder Fleck der Stadtgeschichte. Erst 2014, zum 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs, lenkte Stadtarchivar Jens Metzdorf den Blick darauf. Die danach einsetzenden Kontakte wurden zu einer (kulturellen) Zusammenarbeit ausgebaut, die Breuer schon von einer Städtefreundschaft sprechen lässt.

(-nau)
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