Neukirchen-Vluyn Musik zwischen Sägen und Hobelbank

Neukirchen-Vluyn · Eine besondere Atmosphäre herrscht bei den Werkstattkonzerten der Tischlereien Stein und Kassel. Diesmal verbinden "The Stadtpfeiffers" spätmittelalterliche und moderne Musik.

 Die Band "The Stadtpfeiffers" spielt in der Werkstatt der Tischlerei Stein und Kassel ihr Konzert.

Die Band "The Stadtpfeiffers" spielt in der Werkstatt der Tischlerei Stein und Kassel ihr Konzert.

Foto: Stoffel

Alle zwei Jahre verwandeln die Tischlereien Stein und Kassel ihre gemeinsame Werkstatt in einen Kunstraum. Dann laden sie an der Oderstraße in Neukirchen-Vluyn zu einem Werkstattkonzert ein, bei dem die Zuhörer zwischen Sägemaschinen, Hobelbänken und Absauganlagen Musik aufsaugen können, die nicht in gängige Schubladen passt. Beim fünften Werkstattkonzert kam diese Musik von "The Stadtpfeiffers", die ihr Programm "Grauzone" nennen.

"Wir spielen in einer Grauzone, in einem nicht definierten Bereich zwischen spätmittelalterlicher und moderner Musik", sagte Hans-Joachim Heßler, Pianist, Komponist und Kopf der "Stadtpfeiffers". "Nicht schwarz, nicht weiß. Die Zwischentöne machen die Musik." Die "Stadtpfeiffers" sehen sich in der Tradition des Ruhrgebietes, die für sie vor dem Zeitalter von Kohle und Stahl beginnt, als vor einem halben Jahrtausend zwischen Duisburg und Dortmund Handel, Wissenschaft und Kultur einen Dreiklang bildeten. So knüpfen sie eine Verbindung zu den Musikvirtuosen des Spätmittelalters und der Renaissance.

Manchmal kennen die "Stadtpfeiffers" nicht viel mehr als die Namen der einstigen Stadtpfeifer, zum Beispiel Meister Wilhelm. Dieser spielte in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Harfe in Duisburg. Da keine Noten von ihm vorhanden sind, zupfte Hans-Joachim Heßler zunächst die Saiten seines Klaviers, um sie anschließend über die Tasten anzuschlagen. Wenig später setzten auch Petra Naetbohm an der Blockflöte und Oliver Birk am Schlagzeug ein, um in der besonderen Atmosphäre der Schreinerei zu improvisieren. Dabei konnten auch sieben Zuhörer mitmachen. Sie erzeugten elektromechanische Musik, wenn sie sich auf Holzwürfel setzten. Manchmal kennen die "Stadtpfeiffers" auch einzelne Stücke, zum Beispiel das Lied "Daphne" von Jan Janszoon Starter, das vor vier Jahrhunderten auch zwischen Duisburg und Dortmund populär war.

Sie gaben Variationen zu diesem Lied zum Besten. Dabei bewegten sie sich immer in der Grauzone zwischen mittelalterlicher Musik und Klassik, Jazz und Neuer Musik. Schließlich haben alle drei "Stadtpfeiffers" in ihren Studienzeiten Musikrichtungen miteinander verbunden, Hans-Joachim Heßler in Münster und Graz Jazz und klassische Klaviermusik, Petra Naethbohm in Essen Alte Musik und Avantgarde sowie Oliver Birk in Arnheim und Essen Jazz und Neue Musik.

120 Zuhörer waren von der Musik begeistert, die überwiegend als Kunden der beiden Tischlereien aus dem Raum Moers, Duisburg und Düsseldorf gekommen waren. Sie freuten sich schon auf das nächste Mal, wenn sich die Werkstatt wieder in einen Kunstraum verwandelt. "Ich habe Spaß an individueller Musik", blickte Dieter Stein auf eine mögliche Fortsetzung.

(got)
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