Neukirchen-Vluyn Mozarts Requiem reißt die Zuhörer mit

Neukirchen-Vluyn · Das Collegium vocale der SELK, Solisten und das Cölner Barockorchester musizierten unter Leitung von Hans-Hermann Buyken in St. Quirinus. "Es ist ein Totengebet, das an den Schrecken von Paris erinnert", sagte Pfarrer Franz Anstett.

 Chor und Orchester mit dem Dirigenten Hans-Hermann Buyken. Sie konnten sich im Laufe des Konzerts steigern und zeigten sich mit dem Beginn der Totenmesse in hervorragender Form.

Chor und Orchester mit dem Dirigenten Hans-Hermann Buyken. Sie konnten sich im Laufe des Konzerts steigern und zeigten sich mit dem Beginn der Totenmesse in hervorragender Form.

Foto: Marcus Koopmann

Mozarts Requiem, seine letzte Komposition, zählt zu seinen beliebtesten Werken und steht auf vielen Konzertkalendern. Für die St.-Quirinius-Kirche war die Aufführung des Requiems am Volkstrauertag eine Erstaufführung, dargeboten vom Collegium vocale der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) gemeinsam mit namhaften Solisten und begleitet vom Cölner Barockorchester auf alten Instrumenten im Kammerton der Mozartzeit.

Bewusst hatte Chorleiter Hans-Hermann Buyken das Konzert ans Ende des Kirchenjahres gesetzt: "Diese Zeit ist in der christlichen Kirche geprägt vom Gedenken an die Verstorbenen und fordert in den biblischen Lesungen dazu auf, sich mit der Endlichkeit und Vergänglichkeit des eigenen Lebens und unserer Welt auseinanderzusetzen." Doch wie aktuell die Totenmesse an diesem Wochenende sein würde, hatte niemand vorausahnen können. "Es ist ein Totengebet, das an den Schrecken von Paris erinnert", erklärte Pfarrer Franz Anstett in seiner Begrüßung.

Oft wird dem relativ kurzen Requiem ein stilistisch passendes Instrumental- oder Vokalstück vorangestellt, so auch in diesem Konzert. Johann Christoph Friedrich Bachs selten zu hörende Motette "Ich lieg und schlafe ganz mit Frieden" hatte Buyken ausgewählt, weil auch sie Fragen zum Ende des Kirchenjahres thematisiert und weil es sich bei dem "Bückeburger Bach" um einen Zeitgenossen Mozarts handelt. Dramaturgisch war das klug gewählt, dennoch blieb der Auftakt eher enttäuschend. Ob von den Worten des Pfarrers noch aufgewühlt oder durch die Unruhe im Kirchenraum irritiert, jedenfalls fand der Chor noch nicht zu seiner gewohnten Artikulationsgenauigkeit und Klanghomogenität. Auch das Cölner Barockorchester, ein seit Jahren bewährter Partner des Chors, traf im folgenden "Adagio und Fuge c-Moll KV 546" noch nicht den authentischen Ton. "Wenn es nicht im Programm stünde, hätte ich das nicht als Musik von Mozart erkannt", raunte ein Besucher ratlos.

Vielleicht brauchten beide Ensembles an diesem besonderen Tag die Einleitung, um zu sich selbst zu finden und sich voll und ganz auf die Totenmesse konzentrieren zu können. Denn kaum erklangen die ersten Töne des Requiems, war der Bann gebrochen, und in der Kirche herrschte eine andächtige Intensität, die das musikalische Geschehen feierlich umhüllte. Buyken wählte ein flüssiges, absolut angemessenes Tempo, das die dramatischen Impulse der Musik betonte, aber auch die Adagio-Anweisungen Mozarts berücksichtigte. In überzeugendem Miteinander ließen der engagierte Chor, das souverän begleitende Orchester und das ausgewogen und stimmig agierende Solistenquartett schwungvolle Ausbrüche empathischer Klage über die Vergänglichkeit wechseln mit berauschte Freude darüber, diese Klage so erhebend ausdrücken zu können.

Erschütternd wirkte die Dramatik im "Dies irae" und im "Rex tremendae", flehend das "Salva me". So gelang es Buyken eindrucksvoll, Trauer und Trost zu verbinden, Ruhe und wohltuende Zuversicht zu schenken. Nach dem letzten Ton herrschte in der voll besetzten Kirche schweigende Ergriffenheit als bewegendes Zeichen, dass das Publikum verstanden hatte. Erst dann setzte der begeisterte Applaus ein.

(prs)
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