Neukirchen-Vluyn "Es wird immer weniger gesungen"

Neukirchen-Vluyn · Die Martinszüge in Neukirchen-Vluyn sind ein fester Bestandteil des Brauchtums in den Ortschaften, doch manche Organisatoren beobachten, dass sich die Feierkultur ändert - und das nicht immer in erfreulicher Weise.

 "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne . . ." - Lieder zum Martinsfest gehören zur festen Tradition beim Laternenumzug. Doch die Organisatoren stellen fest, dass die Freude am Singen nachgelassen hat.

"Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne . . ." - Lieder zum Martinsfest gehören zur festen Tradition beim Laternenumzug. Doch die Organisatoren stellen fest, dass die Freude am Singen nachgelassen hat.

Foto: Christoph Reichwein

Selbst ein schönes Fest wie Sankt Martin kann manchmal Anlass für Streit sein - wie nun in Krefeld. Zwei Grundschulen wurden vom zuständigen Martinskomitee vom Zug ausgeschlossen, weil sie nur eine Teilstrecke mitziehen wollten. Die Begründung: Ein Weg von fünf Kilometern sei zu weit für die Kids, außerdem seien Flüchtlingskinder dabei, die sich vor Dunkelheit und Feuer fürchteten.

Das löste in den sozialen Medien eine lebhafte Debatte aus. Manche räumten ein, dass fünf Kilometer für Kleinkinder wirklich etwas happig seien, andere mokierten sich über die fußlahme, verweichlichte Jugend von heute.

Für Monique Jaegers vom Organisationsteam, das den Martinszug in Neukirchen vorbereitet, klingt das zum Teil vertraut. "Auch wir wurden schon von Eltern angesprochen, die den Weg zu weit fanden und sich beklagten, der Zug finde zu spät statt", berichtet Jaegers (er beginnt um 18 Uhr). Allerdings müsse man bedenken, dass Ehrenamtler wie die Musiker der Spielmannszüge erst nach ihrem Feierabend den Zug mitgestalten könnten.

Die Veränderung der Feierkultur in den vergangenen Jahren sei nicht immer erfreulich, meint Jaegers. Zum einen stört sie das Verhalten der Erwachsenen, die während des Zuges oder des Martin-Spiels dauernd mit ihrem Smartphone daddelten, was auch die Kinder irritiere. Zum anderen stehe es um das Liedgut schlecht. "Es wird bei den Zügen immer weniger gesungen", stellt sie fest. Das liege aber nicht daran, dass die Kinder in den Schulen die Martinslieder nicht mehr lernen. "Ich bin überzeugt, dass die Grundschulen das fördern. Und in den Kitas werden ja auch Laternen gebastelt." Das Phänomen der schweigsamen Martinskinder hat auch Kurt Best schon beobachtet, der sich als Rektor bis 2006 um den Martinszug der Gerhard-Tersteegen-Schule kümmerte. "Früher hatte ich ein Megafon dabei und sang vor", erinnert er sich. Aber heute sei es schwer, Teilnehmer zum Mitsingen zu bewegen.

Trotzdem erfreut sich die Tradition um den heiligen Martin, der einst seinen Mantel für den Bettler teilte, auch in Neukirchen-Vluyn noch immer größter Beliebtheit. Die Übersicht der Stadtverwaltung verzeichnet in diesem Jahr nicht weniger als 14 einzelne Züge, ziemlich viel für eine Stadt mit rund 30.000 Einwohnern. Während in Neukirchen ein von den Schulen unabhängiger Zug organisiert wird, sind es in Vluyn vor allem die Pestalozzi- und die Antoniusschule, die größere Züge organisieren. Und auch manche Kitas veranstalten ihren eigenen Laternenumzug. Hinzu kommen noch die traditionsreichen Martinsfeiern in den Ortschaften, etwa in Rayen, Hochkamer und Vluynbusch.

Seit 18 Jahren ist Monique Jaegers beim Orga-Team dabei, das 14 Personen zählt. "Wenn Eltern über den Zug meckern, fordern wir sie auf, doch mitzumachen und Dinge zu verbessern." Doch darauf gebe es so gut wie nie eine Reaktion.

Übrigens: Der Streit um die Martinszüge in Krefeld hat doch noch ein versöhnliches Ende gefunden. Nach vielen tränenreichen Familienszenen hat das dortige Martinskomitee erklärt, natürlich dürften die Kinder der ausgeschlossenen Schulen sich einfach so dem Zug anschließen, und auch sie bekämen eine Tüte. Sankt Martin hätte diese Lösung bestimmt gelobt.

Die gesonderte Übersicht der einzelnen Züge in der Grafschaft wird in den nächsten Tagen in unserer Lokalausgabe veröffentlicht.

(s-g)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort