Nettetal Wo Stars und Vereine gern feiern

Nettetal · Das heutige Hotel Stadt Lobberich ist seit 400 Jahren das Wohnzimmer von Nettetal. Als legendär gelten Feste von Karnevalisten und Sportlern im Saal. Schauspielerin Inge Meysel ließ sich Wirsing-Eintopf schmecken

 Inge Meysel.

Inge Meysel.

Foto: Archiv Dammer

Inge Meysel wurde mit ihrer Rolle als Käthe Scholz zur Muter der Nation. Keine Überraschung, dass Willi Dammer, damals Koch und Sohn des Hotelbesitzers Wilhelm Dammer, ihre Wertschätzung der Küche nie vergessen wird. Meysel aß im damaligen Hotel Dammer "Wirsing bürgerlich" und lobte: "Das schmeckt ja wie bei Muttern - endlich mal mit genug Mettwurst." Sie bedankte sich mit einer Autogrammkarte und der Widmung "Für Willi", die Willi Dammer in seinem umfangreichen Archiv zur Geschichte des Hotels hütet.

 Diese Aufnahme entstand um 1900 und ist eine der ältesten Aufnahmen der Hochstraße. Das Hotel befindet sich links.

Diese Aufnahme entstand um 1900 und ist eine der ältesten Aufnahmen der Hochstraße. Das Hotel befindet sich links.

Foto: Archiv Dammer

Inge Meysel war nicht die einzige Schauspielerin, die die Gastfreundschaft im ältesten Hotel am Platze schätzte. Nach den Mauerankern ist das Gebäude im Jahr 1617 errichtet worden.

 Dies ist eine der ältesten Aufnahmen des Gebäudes. Links unter dem Giebel befindet sich ein Saal, der Mitte der 1950-er Jahre abgerissen wurde.

Dies ist eine der ältesten Aufnahmen des Gebäudes. Links unter dem Giebel befindet sich ein Saal, der Mitte der 1950-er Jahre abgerissen wurde.

Foto: Archiv Dammer

Auch Schauspieler Willy Fritsch, mit Lilian Harvey in den 1930-er Jahren das Traumpaar des Ufa-Films, logierte öfter hier, begleitet von seiner Frau und zwei Pudeln - immer dann, wenn sein Sohn Thomas Fritsch im Nettetaler Stadttheater auftrat. Und auch Fritz Walter war 1950 Gast - damals mit den "Roten Teufeln" vom 1. FC Kaiserslautern als deutscher Fußballmeister. Das Team feierte gern mal bis 4 Uhr in der Früh an der Theke - und Walter hinterließ ebenfalls eine Autogrammkarte.

 So sieht das unter Denkmalschutz stehende Hotel Stadt Lobberich, eines der ältesten Gasthäuser im Kreis Viersen, heute aus.

So sieht das unter Denkmalschutz stehende Hotel Stadt Lobberich, eines der ältesten Gasthäuser im Kreis Viersen, heute aus.

Foto: F.H. Busch

Solche Geschichten hat Willi Dammer von Hotel-Mitarbeiter Emil Rütten erfahren, der vor kurzem im Alter von 90 Jahren gestorben ist. Rütten hatte drei Generationen der Familie Dammer in deren Hotel erlebt: Als 14-Jähriger hatte Rütten bei Willi Dammer senior seine Ausbildung als Piccolo begonnen, war Jahrzehnte lang Kellner und damit die gute Seele im Haus. Er blieb auch, als Wilhelm ("Willi") Dammer 1953 nach dem Tode seines Vaters das Hotel übernahm.

 Emil Rütten (links), der kürzlich jetzt 90-jährig verstarb, war als langjähriger Kellner für viele Gäste die Seele im Hotel Dammer. Von 1938 bis zum Verkauf 1987 führte unter anderem Familie Dammer das Haus. Das Foto zeigt die Eheleute Wilhelm (3.v.r.) und Sofie Dammer hinter der Theke.

Emil Rütten (links), der kürzlich jetzt 90-jährig verstarb, war als langjähriger Kellner für viele Gäste die Seele im Hotel Dammer. Von 1938 bis zum Verkauf 1987 führte unter anderem Familie Dammer das Haus. Das Foto zeigt die Eheleute Wilhelm (3.v.r.) und Sofie Dammer hinter der Theke.

Foto: Archiv Dammer

Bis Mitte der 1950er Jahre war der Saal des Hotels in Lobberich der Treffpunkt: Hier traten die Gesangvereine auf, feierten Karnevalisten wie Heideröschen 15 ausverkaufte Bühnenabende, wurden Tanzpaare zu Liebespaaren. 1956 wurde der Saal abgebrochen.

 Helmut Schatten, heute Gastgeber im Hotel Stadt Lobberich, im Gastraum. Die Theke enthält noch rund 250 Jahre alte Kacheln. Einige Holztüren sind ebenfalls alt.

Helmut Schatten, heute Gastgeber im Hotel Stadt Lobberich, im Gastraum. Die Theke enthält noch rund 250 Jahre alte Kacheln. Einige Holztüren sind ebenfalls alt.

Foto: F.H. Busch

Unverändert blieb bis heute die Begeisterung für den Kegelsport: "Rund 48 Clubs kegeln hier", sagt der heutige Hotel-Besitzer Helmut Schatten. Er ist dort seit 15. Oktober 1995 Gastegeber - und als Lobbericher zu seinen Wurzeln zurück gekehrt. Schatten verweist stolz auf die lange Historie des inzwischen denkmalgeschützten Hauses. So war es im 19. Jahrhundert eine offizielle Posthalterei, in den Remisen standen Kutschen und Pferde. Überliefert ist außerdem, dass das Anwesen während des Dreißigjährigen Krieges von einem Rütges Kessels bewirtschaftet wurde. Bis zum Jahr 1890 findet sich dieser Name in der Besitzer-Liste. Nach Konrad Bispels (1890 bis 1918) begann die Ära Bellenberg. Ab 1938 war das Hotel im Besitz der Familie Willi Dammer, erst Senior, dann Junior. 1987 erwarb es der Neusser Rüdiger Pies.

 Mit "gepflegten Getränken" warb diese Postkarte vom Hotel Dammer, heute Hotel Stadt Lobberich.

Mit "gepflegten Getränken" warb diese Postkarte vom Hotel Dammer, heute Hotel Stadt Lobberich.

Foto: Archiv Dammer

Wer Helmut Schatten heute im Gastraum trifft, kann sich von ihm Historisches zeigen lassen: etwa alte Holztüren, rund 250 Jahre alte Kacheln am Tresen oder die Decken hinter der Theke. Im Gastraum hat er einiges verändern lassen, bei der Karte setzt er auf deutsche Küche und Trends wie Burger. Worauf er stolz ist: "Der Biergarten ist ab morgens durchgehend sonnig. Das hat 392 Jahre niemand bemerkt."

(busch)
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