Nettetal Wo rote und grüne Tomaten wachsen

Nettetal · Karl Brunen betreibt in Leuth auf 20.000 Quadratmetern eine der größten Tomatenfarmen der Region. 22 verschiedene Sorten wachsen dort. Jetzt bekämpft er Schädlinge mit einer innovativen, biologischen Methode

 In gut einem Monat können Karl und Christel Brunen mit der Ernte beginnen. Zurzeit wachsen die neuen Jungpflanzen noch im Gewächshaus heran.

In gut einem Monat können Karl und Christel Brunen mit der Ernte beginnen. Zurzeit wachsen die neuen Jungpflanzen noch im Gewächshaus heran.

Foto: Busch

Zum Butterbrot isst er gerne die "Flavance". Das ist eine runde Vital-Tomate. Doch wenn Karl Brunen durch das Gewächshaus geht, pflückt er auch gerne die "Annamay", eine kleine Rispentomate. Eine ausgesprochene Lieblingssorte hat der "Gartenbauer mit Fachgebiet Tomaten" nicht: "Es kommt auf die Gelegenheit an und was es zu essen gibt". Immerhin kann er unter 22 Sorten wählen, die bei ihm hinterm Haus in Leuth-Busch auf 20.000 Quadratmetern unter Glas wachsen.

Die Tomaten dort haben längst nicht mehr nur eine rote Farbe. Es gibt auch die grüne Fleischtomate "Montenegro", die gelbe Rispencocktailtomate "Yellow Sun", die orangefarbene Naschtomate "Santorange" oder die schwarze Tigertomate "Zebrino". Neuester Schrei sind pinkfarbene Tomaten, berichtet Brunen. Er weiß, dass die Japaner sie besonders lieben. Die deutsche Kundschaft ist da sehr viel zurückhaltender. Brunen hat sie auch einmal angebaut, doch bald aus dem Programm gestrichen. Die Nachfrage war nicht sonderlich groß, bei Pink schüttelt er noch heute mit dem Kopf.

Je kleiner die Tomate, desto höher ist ihr Zuckergehalt - und umso mehr eignet sie sich zum schnellen Essen "zwischendurch". Karl Brunen weiß noch einen anderen Grund für die Beliebtheit der "Kleinen": "Früher hat man noch gekocht und auch Tomaten auf dem Brettchen geschnitten, heute muss alles schnell gehen und mundgerecht sein." Deshalb hat er drei Sorten Naschtomaten und ein halbes Dutzend Mini-Tomaten im Angebot. Weil nicht alle Tomaten rund sind, sondern auch andere Formen aufweisen, haben die Agrarmarketingleute Kirschen, Eier und Pflaumen in die Beschreibungen aufgenommen. "Agnelle" ist sogar eine kleine Eier-Cherry-Tomate.

Für Karl Brunen und seine Mitarbeiter beginnt das Jahr am 5. Januar: Dann rollen am Vormittag halbstündlich Lastwagen an. Sie bringen insgesamt an die 60.000 Pflanzen, die in Minicontainern stecken und etwa 50 Zentimeter groß sind. Sie sind seit Mitte November in den Niederlanden herangezüchtet worden und werden nun von rund 15 Frauen und Männern in Windeseile auf vorbereitete Substratflächen gesetzt, einem Gemisch aus zerriebenen Kokosnüssen und Perlite. In den folgenden Wochen muss der Faden hochgebunden werden, an denen sich die Pflanzen bis auf 2,5 Meter Höhe emporranken.

Mit Leim bestrichene gelbe Bänder durchziehen in diesem Jahr erstmals das Riesengewächshaus zwischen Kreisstraße 3 (Leuth-Breyell) und Wirtschaftsweg May-Busch. "Damit können wir effizienter Schädlinge bekämpfen", erläutert Brunen, "denn sie fliegen darauf." Weiterhin ist der Macrolophus unser bester Freund". Das Insekt, das mit Krebseiern gefüttert wird, damit es sich vermehrt, hat sich als Nützling im Kampf gegen Schädlinge wie Blattläuse, rote Spinne oder Raupen bewährt. "Ich habe bis heute nicht gespritzt, wir arbeiten im Einklang mit der Natur", beteuert Brunen. Deshalb dürfen sich seine Enkelkinder bedenkenlos eine kleine Tomate in den Mund stecken, wenn sie durch das Gewächshaus streifen. Davon profitieren auch die Hummeln aus Belgien, die die Blüten bestäuben, damit der Ertrag stimmt.

Je nach Sorte werden in der Saison zwischen Anfang April und Ende Oktober zwischen 700 und 2500 Gramm pro Quadratmeter geerntet - jeden Tag. Brunen vermarktet über Landgard in Straelen und ist Mitglied des Vereins "Tomatengärtner Rheinland", in dem sich 16 Gartenbauer zwischen Sonsbeck und Neurath zusammengeschlossen haben. Unter ihnen sind auch Manfred Drießen aus Hinsbeck, Volker Jansen aus Viersen und Karsten Knodt aus St. Tönis. Sie wollen das einstmals "verwässerte" Ansehen der Tomate wieder heben: "Geschmack und Qualität vor Höchstertrag" lautet ihr Grundsatz.

Warum er sich das mit "Mitte/Ende 50" noch antue, wurde Karl Brunen, heute 63 Jahre alt, gefragt, als er die Unterglasfläche auf 20.000 Quadratmeter verdoppelte. "Weil ich Spaß an meinem Beruf habe", antwortet er, "bis heute bereue ich nichts, ich habe alles richtig gemacht". Er ist auch mit dem wirtschaftlichen Erfolg zufrieden. Dafür muss er allerdings genau rechnen. Für die Beheizung, immerhin muss die Temperatur zwischen 15 und 25 Grad gehalten werden, bezieht er Holz vom Brachter Sägewerk Rieder GmbH: "Es hat sich bei uns eingemietet, wir kaufen die Wärme." Rund 30 Kubikmeter Holzspäne werden täglich verfeuert. Brunen achtet auf die Ressourcen: "Wasser versickert nicht mehr, sondern wird vollständig recycelt." Bei Temperaturregelung, Düngung und Wasserzufuhr hilft heute der Computer.

Seit einigen Jahren hat Christel Brunen einen kleinen Hofladen eröffnet, in dem neben den hauseigenen Tomaten Gemüse und Eier "von Kollegen aus der Region" angeboten werden. Nur die Bananen müssten beim Großhändler zugekauft werden. Ende Oktober schließt das Lädchen regelmäßig, denn "wir wollen im Winter keine italienischen Tomaten verkaufen". Wenn dann bis Mitte November die letzten Tomaten abgeerntet sind und das Gewächshaus ausgeräumt ist, wachsen in den Niederlanden schon wieder die Pflanzen für die nächste Saison. Doch Karl und Christel Brunen freuen sich dann erst einmal auf ihren Urlaub "irgendwo im Süden".

(mme)
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