Nettetal Wenn Menschen keine Hilfe wollen

Nettetal · Weil sie jegliche Betreuung ablehnen, sind ein Dutzend Obdachlose in der Not-Unterkunft Breslauer Straße von Verwahrlosung bedroht

 Die Notunterkunft an der Breslauer Straße ist für einige Menschen der letzte Halt, den sie noch haben.

Die Notunterkunft an der Breslauer Straße ist für einige Menschen der letzte Halt, den sie noch haben.

Foto: Jobu

Vereinsamt und verwahrlost vegetiert die Frau in der Unterkunft an der Breslauer Straße vor sich hin. "Solch ein Mensch lebt in dem Bewusstsein, er sei eh nur Schrott", sagt Elvire Kückemanns. Die ehrenamtlich sozial engagierte Kaldenkirchenerin kennt manche obdachlosen Mitmenschen, wie eben diese Frau, die "keine Hilfe annehmen wollen". Um diese Wohnungslosen sorgt sich auch die Stadtverwaltung - und stellte deshalb im jüngsten Ausschuss für soziale Angelegenheiten Überlegungen zu einer "bedarfsgerechten Versorgung" vor.

Einer Versorgung jedweder Art entzieht sich bislang die Frau, die in der Unterkunft Breslauer Straße mehr haust als wohnt. Sie sieht verlottert aus, wenn sie durch die Straßen von Kaldenkirchen läuft und manchmal leise vor sich hin redet, sonst mit niemandem spricht. Ihr Schicksal geht Kückemanns nahe, schon die Eltern hätten am Rand der Gesellschaft gelebt, davon sei die Frau geprägt, die keinen vernünftigen Schulabschluss habe. Kontaktängste und mangelndes Selbstwertgefühl hätten dazu geführt, dass die Frau sich abgekapselt habe: "Die Notunterkunft, in der sie schon viele Jahre lebt, ist für sie eine Art Schutzraum, wo sie sich einigermaßen sicher fühlt."

In der alten, maroden Unterkunft in Kaldenkirchen ist die Frau nicht die einzige, die sich einer Betreuung entzieht. Dem Fachbereich Soziales im Rathaus sind rund ein Dutzend solcher Fälle bekannt, bei denen das Konzept nicht greift, Obdachlose nach einer Übergangszeit im Wohnheim etwa in reguläre Wohnverhältnisse zu vermitteln.

"Die Gefahr gesundheitlicher Schäden und vollständiger Verwahrlosung in unhaltbaren Zuständen" fürchtet man im Rathaus, vor allem "bei Nachlassen der körperlichen und geistigen Konstitution der Bewohner", heißt es in einer Bestandsaufnahme. Bei mehr als einem Drittel der derzeit 34 Obdachlosen in der Breslauer Straße fruchte die "Ausschöpfung aller Maßnahmen" nicht. Suchtkrankheiten und sogenannte Wohnungsunfähigkeit verschlimmerten die Situation bei manchen Bewohnern, von denen einige unter gesetzlicher Betreuung stehen. Deshalb seien "Überlegungen zu einer intensiveren Betreuung dieser Menschen dringend erforderlich".

Solche Betreuung kann der Fachbereich Soziales allein nicht leisten. Denn einige "Personen verweigern sich einer Verbesserung der der Wohnsituation", man registriere ein "Nachlassen der Fähigkeit zur Selbstbestimmung" sowie "der körperlichen und geistigen Konstitution". Diese Menschen könnten "teilweise nicht erreicht werden", sie seien "wohnungsunfähig", skizzierte Sozialdezernent Armin Schönfelder das Problem; auch Aggressionen kämen vor.

Die Verwaltung will deshalb "möglicherweise wie bei den Flüchtlingen einen Betreuungsverband hinzuziehen", erklärte Schönfelder. In die Flüchtlingsarbeit in Nettetal sind Diakonie und Evangelische Jugend- und Familienhilfe mit eingebunden. In Sachen Obdachlose ist man nun laut Schönfelder "mit einem Mitarbeiter der Suchtberatung ,Kontakt-Rat-Hilfe Viersen' gemeinsam durch die Unterkunft gegangen"; man wolle "einen Erste-Hilfe-Plan" erstellen. Der Ausschuss gab dafür grünes Licht, beauftragte die Verwaltung, ein Konzept zu erarbeiten. Und dass solch ein Konzept sinnvoll ist, glaubt auch Kückemanns: "Alles, was man nur irgendwie für diese armen Menschen tun kann, ist wichtig." Und doch hat sie Zweifel, ob irgendwelche Maßnahmen der verzweifelten, vereinsamten, verwahrlosten Frau von der Breslauer Straße helfen könnten: "Ich fürchte, nicht, sie lässt ja niemanden an sich ran."

(jobu)
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