Nettetal Steuern und Abgaben müssen erhöht werden

Nettetal · WIN-Chef Hajo Siemes fordert eine ehrliche Diskussion um die anhaltenden Haushaltsprobleme der Stadt Nettetal.

An Selbstbewusstsein mangelt es Hajo Siemes nicht. Der Gründer der Wählergemeinschaft "Wir in Nettetal", in Personalunion Vorsitzender und Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, ist davon überzeugt, dass "wir seit der Kommunalwahl vor einem Jahr einiges ge-stemmt haben". Die Fraktion verdoppelte sich von zwei auf vier Mitglieder. Zu Beginn des Jahres stürzte sich WIN vehement in die Diskussion um die entschwundene Notdienstpraxis im Krankenhaus. Dass Fraktionsmitglied Nicole Schröder unmittelbar vor den Sommerferien die Wählergemeinschaft verließ und in die CDU wechselte, schmerzt Siemes umso mehr.

Bestätigt fühlt sich Siemes in der Forderung, die ehemalige Hauptschule in Lobberich als Unterkunft herzurichten. Natürlich habe auch er nicht geahnt, dass das Land in Nettetal eine vorgelagerte Erstaufnahme einrichten werde. Aber dass die Rechnung mit etwa fünf Zuweisungen pro Woche nicht aufgehen werde, habe die Fraktion schon schnell erkannt.

Daher habe er den Dringlichkeitsbeschluss unlängst, in dem der Verwaltung freie Hand für Verhandlungen über Mietobjekte gewährt wurde, "mit einigen Bauchschmerzen" zugestimmt. "Wir müssen nehmen, was auf dem Markt ist, aber die alte Planung galt schon da nicht mehr", sagt er. Zwiespältig bewertet er, dass die Stadt unter anderem ein Gewerbeobjekt am Herrenpfad-Nord in Kaldenkirchen für fünf Jahre mietet. Die Lage und die Vertragsdauer behagten ihm nicht. Siemes fehlt die offene Diskussion, wie Flüchtlinge auch in anderen, kleineren Stadtteilen untergebracht werden könnten. WIN sei für dezentrale Lösungen, die Konflikte verringerten und die Integration eher fördern würden.

Ein Thema wird nach seiner Ansicht in den kommenden Monaten wieder in den Mittelpunkt rücken: Die Zukunft der weiterführenden Schule. "Man tut so, als existiere die Hauptschule schon nicht mehr. Dabei macht Julia Kaizik mit ihrem Team eine tolle Arbeit." Man müsse intensiv darüber nachdenken, wie sich die Gesamt- und die Realschule künftig einpassen und wie mit den Hauptschülern verfahren werde. "Sie dürfen auf keinen Fall auf der Strecke bleiben", bekräftigt Siemes. Er erwarte eine Kooperation beider Schulformen mit einem fairen Ausgleich. Nach seiner Meinung sei eine sinnvolle Schulentwicklung verpasst worden, als die Ratsmehrheit 2012 die Gründung einer Sekundarschule verhinderte.

Damit kommt er zu einer Schnittstelle der Kernthemen dieser Tage: WIN schlägt vor zu untersuchen, ob Flüchtlinge im Schulzentrum Kaldenkirchen untergebracht werden können. Wenn eine Entscheidung über Gesamt-, Real- und Hauptschule getroffen werde, blieben Räume dort frei. "Warum also sollte man da Flüchtlinge nicht unterbringen?" fragte er.

Die miserable Haushaltslage sei auch deswegen aufgelaufen, weil der Rat seit Jahrzehnten die wirklich tiefgreifenden Entscheidungen scheue. Gebühren und Beiträge müssten endlich realistisch dargestellt werden, die (Gewerbe-)Steuern müssten dem Bedarf des Haushalts angepasst werden. "Man muss die Dinge anpacken und kann sie nicht dauernd vor sich herschieben", fordert der WIN-Vorsitzende. Seit Jahren verschenke die Stadt Zuwendungen des Landes dadurch, dass die fiktiven Hebesätze künstlich niedrig gehalten würden. Er sei gespannt, ob die neue "Lenkungsgruppe Optimierung und Konsolidierung" (LOK) die Kraft habe, ihre Aufgaben zu erledigen.

Siemes fürchtet eine Kostenexplosion hinsichtlich der Werner-Jaeger-Halle. Fünf Millionen Euro seien unrealistisch. Ob die Stadt ein reines Sprechtheater brauche, bezweifle er. "In der Diskussion sind Chancen für andere Möglichkeiten leichtfertig vergeben worden, weil man sich von vornherein festgelegt hatte, das Gebäude zu erhalten".

Er gibt es nicht gerne zu, aber Siemes schmerzt der Verlust des Mandats, das Nicole Schröder mit in die CDU nimmt. Die Fraktion werde sie auffordern, das ihren Sitz an sie zurückzugeben, es gehöre WIN, sagt Siemes. Dass er selbst vor einigen Jahren aus der SPD-Fraktion ausschied und danach fraktionslos im Rat arbeitete, sei "ein ganz anderer Fall" gewesen. Er habe "gekämpft", der abtrünnigen Kollegin sei das Mandat durch WIN regelrecht in den Schoß gefallen. Darum müsse sie es zurückgeben.

(RP)
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