Nettetal Stadt stößt bei der Aufnahme an Grenzen

Nettetal · Flüchtlinge aus 34 Ländern der Erde leben zurzeit in Nettetal. Sie unterzubringen, zu versorgen und zu betreuen, gelingt den Mitarbeitern der Stadt nur, weil sich Dutzende Bürger der Stadt von Beginn an und unermüdlich ehrenamtlich engagieren.

Flüchtlinge in Turnhallen – so sieht es in der Region aus
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Foto: Dieter Weber

Ina Prümen-Schmitz wirkt in diesen Tagen noch zerbrechlicher als sonst. Die Leiterin des Fachbereichs Soziales verkörpert stellvertretend die Anstrengungen, den Stress, aber auch die hohe Professionalität und den Einsatzwillen aller Mitarbeiter in der Nettetaler Stadtverwaltung, die mit der Flüchtlingshilfe betraut sind. Diese Arbeit funktioniert so geräuschlos und unspektakulär, weil intern Räderwerke ineinandergreifen, es ein kluges und umsichtiges Management gibt. Ganz entscheidend aber ist, dass sich viele Menschen auf ehrenamtlicher Basis einbringen und jene Lücken füllen, die die Stadtverwaltung überhaupt nicht stopfen könnte. Fast ein kleines Wunder aber ist es, wie das gesamte Räderwerk von beruflichem und freiwilligem Kümmern so nachhaltig zusammenzubringen war.

Mehrfach schon hat Christian Wagner sich, ebenso wie Vertreter von Rat und Parteien, öffentlich für bürgerschaftliches Engagement bedankt. Dies will er nun in dem Mittelpunkt seines Neujahrsempfangs stellen und den freiwilligen Flüchtlingshelfern Gelegenheit geben, ihre Arbeit selbst vorzustellen und zu erläutern. Ausdrücklich wird Wagner am Samstagmorgen nicht auf tagesaktuelle Ereignisse eingehen.

Vor zwei Jahren lebten in der Stadt noch 110 Asylbewerber - eine Zahl, die im laufenden Betrieb zu bewältigen war. Im Laufe des Jahres 214 schwoll die Zahl auf 214 Personen an. Zu Beginn des Jahres 2106, sind 501 Personen gemeldet. Hinzu kommen 350 Menschen im Feriendorf des Landessportbundes in Hinsbeck und 40 in der früheren Hauptschule Lobberich. Weil dort Menschen an Windpocken erkrankt sind, gilt eine Quarantäne, weitere Zuweisungen wird es nicht geben - es könnten 200 Menschen dort untergebracht werden, die aber die Diakonie Krefeld-Viersen betreut.

Die Verwaltung hat es geschafft, im gesamten Stadtgebiet neun Gemeinschaftsunterkünfte zu finden (vor einem Jahr hatte sie nur drei), weitere werden in Neubauten und in Gewerbeobjekten geschaffen. Aber mit der "Vermeidung von Obdachlosigkeit", wie es in Amtsdeutsch heißt, ist die Aufgabe nicht erfüllt. Kaum hatte die Stadt Neuankömmlinge irgendwo untergebracht, tauchten wie aus dem Nichts Bürger auf, die die Betreuung der Menschen übernahmen. "Es war immer gleich jemand da", stellt Ina Prümen-Schmitz fest.

Die Stadt hat die Zahl der Hausmeister und Sozialarbeiter aufgestockt. Weitere Stellen sind ausgewiesen, die besetzt werden können. Probleme gibt es eher auf gebieten, die die Stadt nicht direkt beeinflussen kann. So hat das Land zwar für die Schulen zusätzliche Stellen ausgewiesen, um die Integration von Kindern zu fördern. Aber sie können nicht besetzt werden. "Etwas besser" geworden seien die Leistungen des Landes schon, sagt Wagner. Dennoch gebe es Probleme, die bei besserer Koordination vermieden werden könnten. Es fehlten verlässliche Angaben über Menschen, die zugewiesen werden. Kontraproduktiv sei es, wenn das Land die Ankunft von drei Familien mit Kindern ankündige und die Stadt sich mit Unterkunft und Betreuung darauf einstelle. Aber dann treffen eine Familie und mehrere Einzelpersonen ein. Die Struktur der Unterkünfte muss eilends verändert werden, außerdem achtet die Stadt sehr darauf, Menschen so konfliktfrei wie möglich unterzubringen - also mit Rücksicht auf Herkunft, Religion und Sprache.

Über Weihnachten und Neujahr gab es keine neuen Zuweisungen, und die rund 550 Menschen in den Notunterkünften der Erstaufnahme werden (noch) angerechnet. Wagner erwartet, dass im Frühjahr die Zahl der Regelzuweisungen steigen wird, wenn die Notunterkünfte frühere Hauptschule und LSB Hinsbeck aufgelöst werden. "Noch einmal so viele Menschen wie 2015 oder gar mehr können wir nicht aufnehmen. Dazu haben wir keine Kapazitäten mehr", warnt er. Immerhin sei es bisher gelungen, Schulen und Sporthallen von Unterbringungszwecken freizuhalten. Konkret baut die Baugesellschaft Nettetal in diesem Jahr ein Mehrfamilienhaus in Kaldenkirchen. Die GWG Kreis Viersen erwägt ebenfalls den Bau von Mietwohnungen. Private Interessenten halten sich zurück, weil Projekte sich kaum wirtschaftlich rechnen. In der Stadt halten sich augenblicklich 309 Einzelpersonen, 19 Paare sowie 92 Familien mit 244 Personen auf. Darunter sind drei Familien mit sechs Angehörigen. In Lobberich sind 173 Flüchtlinge untergebracht, in Kaldenkirchen 112, in Schaag fünf und in Hinsbeck zwei - in Leuth niemand. Die meisten Asylbewerber kommen aus Syrien (157), es folgen 60 Albaner, 33 Afghanen und 32 Iraker.

(RP)
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