Nettetal Seit 70 Jahren die RP im Briefkasten

Nettetal · Der Kaldenkirchener Horst Groll hat 1949 ein Abonnement für die Rheinische Post abgeschlossen. Seitdem gehört die Tageszeitung für ihn zum Alltag. Auch seine Frau Gisela liest mit — und hat sich ein kleines Archiv angelegt

 Horst und Gisela Groll lesen die RP normalerweise nicht zusammen, sondern nacheinander: Er beim Frühstück, sie im Laufe des Tages etappenweise.

Horst und Gisela Groll lesen die RP normalerweise nicht zusammen, sondern nacheinander: Er beim Frühstück, sie im Laufe des Tages etappenweise.

Foto: Jörg Knappe

Die Kaffeetasse steht auf dem Frühstückstisch, jetzt ist Zeit für die Tageszeitung. Horst Groll greift zur Rheinischen Post, faltet sie auseinander und fängt an zu lesen. "Dann kommt der Lokalteil, dann der Sport." Und dann auch noch der Rest. "Ich habe in meinem Leben bestimmt schon ein paar Tausend Seiten Rheinische Post gelesen", schätzt Groll. Damit übertreibt der Kaldenkirchener vermutlich nicht. Schließlich hat er die Zeitung seit knapp 70 Jahren abonniert.

Der gebürtige Schlesier landete im Oktober 1948 in Nettetal. "Da war ich gerade aus der Kriegsgefangenschaft entlassen", erzählt Groll. Seine Eltern seien nach dem Kriegsende dort hängengeblieben, also folgte er ihnen. Einer Postkarte hatte die Familie zu verdanken, dass sie damals wieder zusammenfand: Aus der Kriegsgefangenschaft hatte Groll Bekannten in Frechen "Viele Grüße von Horst, ich bin gut über die Runden gekommen" geschrieben - davon erfuhr sein Vater, der ihm daraufhin antwortete. "Plötzlich bekam ich da in Gefangenschaft in Darmstadt Post von meinem Vater. Ich dachte, mich laust der Affe", sagt Groll.

Viel Zeit konnte die Familie in Nettetal jedoch nicht miteinander verbringen. "Mein Vater ist im Juli 1949 an den Folgen seiner Kriegsgefangenschaft gestorben", erzählt der 91-Jährige. "Dann habe ich sein Abonnement für die Rheinische Post auf meinen Namen übertragen lassen." RP-Leser sei er aber schon vorher gewesen. Wirtschaftswunder, Studentenrevolte, Mauerfall oder Terroranschläge - die RP hat ihn durch die Nachkriegsgeschichte begleitet. Berufsbedingt schauen seine Frau Gisela und er immer besonders genau hin, wenn es in Zeitungsartikeln um Steuern und Finanzen geht: Die beiden sind Steuerberater, Gisela Groll ist auch noch berufstätig. "Man muss ja auf dem Laufenden bleiben", sagt die 78-Jährige. Ihr Mann spielt Orgel, ist Mitbegründer des Hammond-Orgelclubs Krefeld, außerdem Mitglied der Brucher Schützengesellschaft - deshalb verfolgt er aufmerksam die Berichterstattung über Musikereignisse und Brauchtum. Auch Ankündigungen über Konzerte in der Region liest er gerne, "davon könnten ruhig mehr in der Zeitung stehen".

Seit 33 Jahren sind Gisela und Horst Groll verheiratet. Deshalb weiß der Kaldenkirchener ganz genau: "Meine Frau ist immer sehr an der Wetterkarte in der Zeitung interessiert." Und sie sammle auf dem Dachboden alte Ausgaben der RP, "bestimmt schon, so lange wir verheiratet sind". Das sei dann doch übertrieben, räumt Gisela Groll ein. Aber etwa drei Jahre umfasse ihr Archiv vermutlich schon. Manchmal schneidet sie Artikel aus und hebt sie auf - Geschichten über Jubiläen in Nettetal, Bekannte, Historisches. Als die Mauer fiel, habe sie sehr viel aufgehoben, erzählt Gisela Groll. "Aber irgendwann musste ich ausmisten, das war doch alles zu viel Papier." Anders als ihr Mann, liest sie die Zeitung nicht beim Frühstück, sondern im Laufe des Tages. Erst den Lokalteil, dann schaut sie sich die Todesanzeigen an, dann den Rest - und zwar nicht nur die Wetterkarte.

"Es ist schön praktisch, wenn man morgens die Zeitung im Briefkasten hat", sagt Horst Groll. Wobei: "Wir haben zwei Briefkästen, in dem an der Vordertür wird die Zeitung nass, wenn es regnet." Der Zusteller wisse das und nutze den richtigen, aber die Urlaubsvertretung wähle gelegentlich den falschen. Manchmal steht Groll dann morgens mit der labbrigen Zeitung in der Hand am Briefkasten und ärgert sich, manchmal seine Frau: "Wer nach dem Aufstehen zuerst unten ist, holt sie rein", sagt der Kaldenkirchener.

Ist die Zeitung da, setzt er sich an den Frühstückstisch, trinkt seinen Kaffee und liest. "Mindestens eine halbe Stunde lang." So ist es seit knapp 70 Jahren, und so soll es bleiben.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort