Nettetal Schmuckstücke auf dicken Reifen

Nettetal · Zum Treffen der Hinsbecker Schlepperfreude kamen Bewunderer, Verkäufer und Kaufinteressenten. Die Treckerpilger Johannes Thodam und Gerd Lemkens verrieten ihre Pläne: Sie wollen durchs Brandenburger Tor tuckern

 Stephan aus Hinsbeck wollte seinen Holder-Minitrecker von 1953 verkaufen, Helmut Hauser (rechts) hebt seinen Fiat R 450 für seinen Enkel Neo auf. RP-Foto: J. Knappe

Stephan aus Hinsbeck wollte seinen Holder-Minitrecker von 1953 verkaufen, Helmut Hauser (rechts) hebt seinen Fiat R 450 für seinen Enkel Neo auf. RP-Foto: J. Knappe

Foto: Feyen

Der vierjährige Paul bewegt heftig das Lenkrad des 55 Jahre alten Treckers, eines Fendt mit Frontladefläche, und möchte am liebsten Gas geben: "Brr, brr, brr". Wohin es denn gehen soll? "Ich fahre nach Afrika", meint er spontan. Ob er das auch noch will, wenn er größer ist, bleibt abzuwarten. Gegenwärtig wird er mit seinen Brüdern Julius (6) und Justus (3) noch von seinem Vater rund um Leuth gefahren.

Dass es bis Afrika riesig weit ist, können ihm Johannes Thodam und Gerd Lemkens erzählen. Denn sie sind gerade zwei Monate lang mit einem Eichler- und einem Schlüter-Traktor unterwegs gewesen - ihr Ziel war Santiago de Compostela in Nordspanien. "Dass unsere Oldtimer die 6.117 Kilometer durchgehalten haben, ist schon erstaunlich", wundern sie sich jetzt noch. Deren gesamte bisherige Kilometerleistung dürfte nicht derart hoch gewesen sein. Am Sonntag hatten die Fahrzeuge Ruh', sie standen mit grünen Girlanden bekränzt mitten auf dem Platz vor der Bayernstube, umgeben von rund 20 Oldtimern verschiedener Fabrikate.

Thodam und Lemkens belassen es in diesem Jahr bei kleineren Rundfahrten, doch im August 2018 zum Treckertreff nach Kröv an der Mosel fahren. "Dann nehmen wir aber unsere Frauen mit, wir sind ja nur acht Tage unterwegs", sagt Thodam. Er hat aber noch ein anderes Ziel im Auge: Berlin. "Mit den Treckern durchs Brandenburger Tor fahren - das wäre doch etwas", so hat der Bundestagsabgeordnete Uwe Schummer ihnen bei einem Treffen die Fahrt schmackhaft gemacht.

Rund 50 Treckerinteressierte hatten ihre Fahrzeuge vor der Bayernstube und auf einer angrenzenden Wiese ausgestellt. "Zu verkaufen" stand an einem Holder-Minitrecker aus dem Jahre 1953, auf dessen Sitz ein T-Shirt mit Bild und Telefonnummern-Aufdruck lag. "Wat koass dat Ding denn?", fragte ein Besucher. Und hatte einen wunden Punkt getroffen. "Da Ding? Das ist ein Schätzchen", meinte Stephan Feyen aus Hinsbeck. In der Tat: frisch lackiert und neue Batterie - alles prima gepflegt. Es gab auch eine Antwort auf die Preis-Frage: "Das T-Shirt kostet 2500 Euro, dann gibt es den Trecker für einen Euro dazu."

"Damit haben wir früher nur gearbeitet", berichtet der Hinsbecker Johannes Wübbecke vor einem weiteren Holder, der sogar hinten Doppelbereifung hat. Die Gefährte waren für die Arbeit in seiner Gärtnerei in Hübeck einfach ideal. Und auch leicht. Beim Reifenwechsel musste man nur, erzählt er, den Trecker eben anheben und zwei Klötze drunter legen, schon konnte an die Reifen wechseln. Erinnerungen an früher führten auch Klaus Langecker aus Born nach Glabbach. In seiner Jugend hatte der gebürtige Hinsbecker oft mit Traktoren zu tun hat, "wie das auf dem Land üblich ist". So hat er sich aufs Motorrad gesetzt und ist in seine Jugend zurückgekehrt.

Helmut Hauser aus Waldniel-Hagen denkt an die Zukunft. Drei Exemplare eines Fiat R 450 hat er Zuhause stehen; zwei will er verkaufen. Aber das Exemplar, das er in Hinsbeck zeigte, bleibt in der Familie: "Es ist für meinen Enkel Neo bestimmt." Der muss allerdings noch drauf warten, weil er gerade mal vier Jahre alt ist. "Aber Treckerfahren kann er schon", sagt Hauser, wenn auch nur einen kleinen in der Ackerfurche: "Er hält gut geradeaus." Der Fiat R 450 wurde 1973 in Rumänien gebaut; sein dritter Gang wurde in Deutschland gesperrt, weil er sonst zu schnell gewesen wäre.

Bewunderte Oldtimer sind neben rotglänzenden Porsche-Allgaiern einige Lanz Bulldog-Trecker, die früher auch Kohlehändler als Zugmaschinen einsetzen. Das prächtigste Exemplar stammt von 1936 und wirkt wie ein vornehmes schwarzes Auto auf hohen Rädern. Das Verdeck über dem Fahrsitz ist zu öffnen, an der Fensterscheibe kleben Halterungen für das Navi. Dass der Benziner mit 45 PS und 4.600 cm³ Hubraum mal ein "Arbeitstier" gewesen ist, sieht man ihm wirklich nicht an.

(mme)
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