Nettetal Politiker haften für ihre Beschlüsse

Nettetal · Im Lagebericht der Stadt zu ihren Finanzen müssen nun auch die Ratsmitglieder genannt werden. Der Bund der Steuerzahler frohlockt, das sei eine Hilfe für Strafverfolgungsbehörden. Neue Erkenntnisse bringt das aber niemandem.

 Nettetals Kämmerer Norbert Müller ist erstaunt über den Bund der Steuerzahler.

Nettetals Kämmerer Norbert Müller ist erstaunt über den Bund der Steuerzahler.

Foto: Burghardt

Annähernd 90 Millionen Euro beträgt das Volumen des Haushalts der Stadt in diesem Jahr. Mit dem verfügbaren Geld kommt sie dennoch nicht hin, es klafft in der vor Weihnachten verabschiedeten Planung eine Lücke von einigen Millionen Euro. Verantwortung trägt dafür der Rat. Er muss zusehen, dass seine Beschlüsse der Stadt keinen Schaden zufügen. Zu einem gewissen Grad haften die einzelnen Ratsmitglieder sogar persönlich.

"Das gilt aber nur dann, wenn sich jemand vorsätzlich oder grob fahrlässig verhält", sagt Kämmerer Norbert Müller. Jedem Ratsmitglied sei klar, dass er sowohl für die Stadt als auch sich selbst gegenüber zu besonderer Sorgfalt verpflichtet ist. Transparenz im Umgang mit Geld sei in Nettetal selbstverständlich. "Es gibt keine Geheimnisse, das geht überhaupt nicht", so Müller.

Umso verwunderlicher ist für ihn, dass der Bund der Steuerzahler (BdSt) in der aktuellen Ausgabe seiner Zeitschrift besonders hervorhebt, dass alle Ratsmitglieder namentlich, mit Adressen und ihrem Beruf, im Lagebericht erwähnt werden müssen. "Für den Fall von Unregelmäßigkeiten beim Jahresabschluss wissen dann die Strafverfolgungsbehörden, an wen man sich zu wenden hat", heißt es in den NRW-Nachrichten des BdSt.

"Das ist eine Unterstellung, die ich nicht nachvollziehen kann. Die Betonung ist schon erstaunlich, denn auch so kann jeder herausfinden, wer wann und wie lange ehrenamtlich Politiker war und welchen Beruf er zu diesem Zeitpunkt ausübt. Dafür brauche ich weder den Lagebericht noch den Zusatz", stellt Müller fest. Im Übrigen trage der Rat als Oberstes Verwaltungsorgan insgesamt die Gesamtverantwortung. Es falle also auch nicht sonderlich für den einzelnen ins Gewicht, ob er gegen einen Beschluss stimme oder sich enthalte. "Der Bürgermeister hat da eine andere Position", fügt Müller hinzu. Wenn ein Rat einen zweifelhaften Beschluss fasse, werde der Bürgermeister ihn beanstanden. Auch die Kommunalaufsicht prüfe im Fall eines Konflikts den Sachverhalt. "Ein Ratsbeschluss kann aufgehoben werden, wenn er rechtswidrig ist", erklärt Müller.

Kommunalpolitiker als Teil einer Verwaltung keine Immunität. Bei Abgeordneten im Land- oder Bundestag ist das anders, weil sie gesetzgeberische Aufgaben haben. Gänzlich ungeschützt sind ehrenamtliche Politiker nicht: Haftpflichtversicherungen sichern ihr Handeln ab. Allerdings gibt es auch dafür Grenzen. Wenn beispielsweise ein Rat ein Bauvorhaben blockiert, sollte er planungsrechtliche Hinweise der Verwaltung sehr ernst nehmen. Sie stehen nicht selten im Widerspruch zum Selbstverständnis der ehrenamtlichen Mandatsträger, die sich eher als Politiker verstehen und weniger als Teil der kommunalen Verwaltung. In dieser Rolle fühlen sie sich gerne mehr dem vermeintlichen Wählerwillen verpflichtet als dem Auftrag, Recht und Gesetz zu beachten. Wenn Bürger ihnen dann vorhalten: "Wofür haben wir Sie eigentlich gewählt?" wird der Druck noch größer.

In Ostwestfalen hat es vor einigen Jahren einen Fall gegeben. Der Planungsausschuss verhinderte in einer Gemeinde den Bau von Windkraftanlagen aus politischen Gründen. Die Politiker verstießen jedoch dabei gegen Bestimmungen im Baugesetzbuch. Auf dem Klageweg wurde die Gemeinde zum Schadensersatz verurteilt. Die kommunale Haftpflichtversicherung zahlte nur einen Teil des Betrages. Der "Rest" von 150.000 Euro sollte auf die einzelnen Mitglieder des Ausschusses umgelegt werden. Es folgte ein langes Rechtsverfahren, an dessen Ende die ehrenamtlichen Politiker nur sehr knapp der persönlichen Haftung entgingen.

(RP)
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