Nettetal Mit Ostern hat die Dunkelheit ein Ende

Nettetal · Der Frühling weckt den Drang nach Veränderung, nach etwas Neuem. Ostern verändert Perspektiven.

 Die Natur wagt im Frühling einen Neubeginn und bietet - hier in Dornbusch - wunderbare Möglichkeiten, die Perspektive zu wechseln.

Die Natur wagt im Frühling einen Neubeginn und bietet - hier in Dornbusch - wunderbare Möglichkeiten, die Perspektive zu wechseln.

Foto: Busch, Franz-Heinrich sen. (bsen)

Besonders im Frühling erwacht er in mir: der Drang, etwas Neues zu wagen, etwas zu verändern, neu aufzubrechen. Der Winter war lang und trist genug. Nun kommt die Zeit der frischen Farben, der sprießenden Knospen, des satten Grüns und des hellen Frühlingslichtes. Auf geht's - in den Garten, zum Tapeziertisch.

Womit hat diese Sehnsucht nach Neuem, Hellem und Frischem zu tun? Ich glaube, es liegt in der Natur des Menschen, dass das Neue uns seit Urzeiten anzieht, unsere Neugierde weckt und uns antreibt. Und wen die Neugierde treibt, der fängt an zu suchen. Nicht nur zufällig fällt das Osterfest, an dem die Christen den Sieg Jesu über den Tod feiern, in diese Frühlingszeit. Wir feiern Ostern am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond. Wir tun dies, weil dieser Termin den Neuanfang und das Leben so sinnentief symbolisch unterstreicht. Es wird hell. Es wird Licht. Die Dunkelheit hat ein Ende.

Wir Christen sehen das Leben in einem anderen Licht, einem österlichen. Wer sich von dieser Ungeheuerlichkeit des Osterereignisses im Leben berühren lässt, den wird es fortan antreiben. Von Ostern berührte Menschen werden - oder sollten - sich nicht allzu schnell zufrieden geben mit Aussagen wie: "Das war schon immer so!" Und ihr Lebensmotto darf eigentlich nicht lauten: "business as usual - alles wie gewohnt".

 Der Baldachin im Chorraum der Kirche St. Sebastian in Lobberich zeigt Christus, eine Siegesfahne haltend. Die Grabplatte hat er beiseite geschoben.

Der Baldachin im Chorraum der Kirche St. Sebastian in Lobberich zeigt Christus, eine Siegesfahne haltend. Die Grabplatte hat er beiseite geschoben.

Foto: Busch

Die Anfrage des Osterevangeliums gilt auch heute. Sie gilt allen Christen, vielleicht allen Menschen und - das mag man hören wollen oder nicht - sie gilt der Kirche als Institution. "Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?" Ganz konkret galt diese Anfrage den Jüngerinnen und Jüngern, die am Ostermorgen auf dem Weg zum Grab waren, um einen Totenkult zu pflegen. Sie gilt aber über 2000 Jahre später auch uns als Kirche. Sie fragt uns an: "Wo seid ihr mit Totenkult beschäftig? Wo wandelt ihr in der Dunkelheit des Todes?" Daraus entspringt folgerichtig die Aufforderung: "Christus lebt! So lebt auch ihr!" Ostern ist, so verstanden, die Aufforderung an uns alle: "Gebt euch nicht mit Ist-Zuständen zufrieden!" Wer so lebt, der wird die Welt mit Osteraugen sehen. Vielleicht ist es an der Zeit, in diesen Tagen damit zu beginnen. Ein kleiner Tipp dazu: Neulich waren wir in der Pfarrkirche St. Sebastian in Lobberich auf der Suche nach einer eindeutigen Osterdarstellung. Kreuzwegstationen, Heiligendarstellungen, den thronenden Christus findet man auf den ersten oder zweiten Blick. Aber die Auferstehung? In der Tat: Es braucht den Perspektivwechsel.

Eine schöne Darstellung der Osterszene findet man nämlich auf der rechten Seite des Baldachins im Chorraum der Kirche. Wer den Weg dorthin wagt, wird mit einem eindrucksvollen Bildnis belohnt: Christus hält die Siegesfahne in der Hand, hat eine schwere und steinerne Grabplatte beiseite geschoben und hat den Tod besiegt. Ein solches Bildnis hat eine unglaubliche Kraft - auch heute noch.

Wer einen solchen Perspektivwechsel in seinem Leben zulässt, der gewinnt neue Perspektiven und muss sich - das gehört auch dazu - anfragen lassen. Für mich lauten an Ostern 2015 die Fragen: Wo sind diese steinernen Grabplatten in meinem Leben? Was hält mich gefangen? Wo bin ich immer wieder mit Totendiensten beschäftigt, anstatt Zeuge und Mitarbeiter des Lebens zu sein?

Ostern müssen wir uns diese radikale Anfrage auch als Kirche stellen lassen. Denn die Kirche soll ja ein Werkzeug Jesu sein, damit die Menschen das Leben in Fülle finden können. Ich erlebe uns als Kirche da zeitweise recht eingeschränkt, ängstlich und eng. Auch für die Kirche gilt: Wer mit "business as usual" beschäftigt ist, verpasst nicht selten notwendige und strategische Richtungsänderungen. Unser Motto muss deshalb lauten: "business as easter - alles wie Ostern".

Vielleicht beginnen wir damit, bei einem Besuch der Pfarrkirche St. Sebastian einen ersten, räumlichen Perspektivwechsel zu wagen. Die Kirche ist an Werktagen nachmittags geöffnet. Vielleicht beginnen wir auch damit, österliche Aufbrüche voller Licht und Leben zu wagen; zaghaft, mutiger und dann frohen Mutes. Das Gedicht "Was keiner wagt" des Pfarrers Lothar Zenetti aus Frankfurt ist mir dabei Motivation. Da heißt es unter anderem: "Was keiner wagt, das sollt ihr wagen. Was keiner sagt, das sagt heraus", und zum Schluss: "Wo alle loben, habt Bedenken. Wo alle spotten, spottet nicht. Wo alle geizen, wagt zu schenken. Wo alles dunkel ist, macht Licht." Das ist Ostern. Das ist Aufgabe. Das wünsche ich uns.

Der Autor Dr. Bastian Rütten ist Theologe und Religionspädagoge. Er koordiniert das Kulturkirchenprojekt "Gott-Mensch-Kultur" in der Alten Kirche in Lobberich (www.alte-kirche.info).

(RP)
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