Nettetal Kinderzimmer ist keine Zweitwohnung

Nettetal · Nettetal nimmt die umstrittene Besteuerung von studentischem Wohnraum daheim zurück. Bürgermeister Christian Wagner (CDU) räumt eine "falsche Rechtsauffassung" ein, die Grünen plädieren für "Demut und Bedauern"

 Mit einem Zimmer bei der Eltern müssen auch erwachsene Kinder (hier in dem Theaterstück Hotel Mama) in der Berufsausbildung keine Zweitwohnungssteuer zahlen.

Mit einem Zimmer bei der Eltern müssen auch erwachsene Kinder (hier in dem Theaterstück Hotel Mama) in der Berufsausbildung keine Zweitwohnungssteuer zahlen.

Foto: Knapp

Da ist etwas schief gelaufen. Denn Steuerbescheide der Stadt haben "zu massivem Unwillen" geführt, wie Bürgermeister Christian Wagner in der Stadtratssitzung unumwunden einräumte. Denn nicht nur Studenten mit zweitem Wohnsitz in Nettetal wurden zur Zweitwohnungssteuer herangezogen, es wurden auch jene Studenten zur Kasse gebeten, die bei einem Wohnsitz am Studienort auch noch Bett und Schrank in der Wohnung der Eltern daheim stehen hatten. Dies sorgte für zahlreiche Beschwerden bei Verwaltung und Politik, die im Dezember vergangenen Jahres die Zweitwohnungssteuer beschlossen hatten, um das Millionen-Defizit im städtischen Haushalt etwas zu verkleinern.

Die Stadt Nettetal hatte bei ihrer Vorlage an den Rat die Satzung der Stadt Essen übernommen und an Nettetaler Verhältnisse angeglichen. Allerdings war den Nettetalern laut dem Bürgermeister nicht bekannt, dass Essen nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen die Satzung nicht auf solche "Nebenwohnungen" anwendet, die eindeutig als Kinderzimmer zu erkennen sind. Nach Auffassung des Gerichts haben auch erwachsene Kinder in der Berufsausbildung in der elterlichen Wohnung keinen Wohnraum im Sinne des Zweitwohnungssteuerrechts.

Wagner zog die Konsequenz aus der "falschen Rechtsauffassung" und ordnete an, dass auch in Nettetal "diese Nebenwohnungen nicht besteuert werden". Er werde auch die Bürger, die bisher einen entsprechenden Steuerbescheid erhielten, benachrichtigen. Im Übrigen, so betonte er, sei diese Anwendung weder von der Verwaltung noch von der Politik beabsichtigt gewesen. Den Vorwurf der Gier wies er energisch zurück. Das unterstrich Ingo Heymann (CDU): "Das hat hier niemand gewollt, keiner ist auf die Idee einer solchen Auslegung gekommen." Etwas mehr Schuldbewusstsein schien Guido Gahlings (Grüne) angebracht: "Wir haben alle zusammen zu wenig nachgedacht", sagte er im Hinblick auf den kurzen Satz in der Steuersatzung über die Studentenwohnungen. Er fand es gut, "dass wir uns korrigieren" und "in Demut und mit Bedauern zurückblicken", denn: "Wir sind alle zu weit gerudert." Keinen Grund, das Haupt mit Asche zu bedecken, sah Hans-Willi Troost (FDP), denn seine Fraktion habe sich im Dezember vehement gegen die Zweitwohnungssteuer ausgesprochen. Die Einnahmeerwartungen müssen deutlich gedämpft werden. Statt der erhofften 100.000 Euro rechnet die Stadt nun nur noch mit etwa 50.000 bis 60.000 Euro, sagte Wagner.

Der Stadtrat genehmigte ohne weitere Debatte die Anhebung der seit 2004 unveränderten Elternbeiträge für die Teilnahme von Kindern an der "Offenen Ganztagsschule" im Grundschulbereich. Darüber hinaus segnete sie eine Neufassung der Straßenbau-Anliegerkosten ab, die eine Erhöhung der Beitragspflicht nach sich zieht.

Auch wurde die Aufstellung des Bebauungsplanes "Westlich obere Färberstraße" beschlossen, der den östlichen Abschluss des Baugebietes Niedieckpark umfasst. Hier soll nun ein Wohngebiet statt des bisherigen Mischgebietes ausgewiesen werden, weil auf der anderen Straßenseite nun Wohnungen statt der ursprünglich vorgesehenen Gewerbebauten entstehen. Dabei wird die Bauhöhe von drei auf zwei Geschosse (plus Dachgeschoss) reduziert. Anders als im Niedieckpark soll die Bauweise nicht offen sein, sondern zu einem einheitlicheren Abschluss des Baugebietes führen.

Sehr verwundert war die SPD-Fraktion über ein Schreiben der Direktorin des Nettetaler Amtsgerichtes zur Wahl eines neuen Schiedmannes in Breyell. Dafür hatte sich auch ein Niederländer beworben. Renate Dyck bezeichnete die Ablehnung und deren Begründung mit einem 34 Jahre alten Aufsatz als "Diskriminierung". Diesen Argumenten hatte auch die Verwaltung nicht folgen können. Gewählt wurde allerdings Wilfried Zint, seine Vertreterin ist künftig Annelies Michalzyk, die bisher 1. Schiedsfrau war.

(mme)
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