Nettetal Im Atelier des Künstler-Ehepaars

Nettetal · 22 Künstler aus Nettetal öffneten am Wochenende ihre Ateliers für Besucher. Auch dabei: Brigitte Minten-Rathner und Salvatore Minten aus Lobberich. Das Ehepaar lebt zusammen und arbeitet zusammen — und hat ein ganz neues Ziel

 Brigitte Minten-Rathner und Salvatore Minten in ihrem gemeinsamen Atelier in Lobberich. Sie arbeitet mit Filz, er mit Acrylfarbe.

Brigitte Minten-Rathner und Salvatore Minten in ihrem gemeinsamen Atelier in Lobberich. Sie arbeitet mit Filz, er mit Acrylfarbe.

Foto: jobu

Ein kleines Schuld nur, das aber viel aussagt über zwei außergewöhnliche Künstler: "Limitierte Zone, Zugangscode eingeben" steht neben einem Kästchen mit Ziffern-Tasten an der Tür zur Gäste-Toilette im Atelier von Brigitte Minten-Rathner und Salvatore Minten. Typisch für die beiden, die sich stets humorvoll und immer mit einem kritischen Blick auf ihre Mitwelt geben - und nach diesem Prinzip ihre Kunstwerke gestalten. Zu bestaunen in ihrem Atelier "Kunsthaus Nettetal" in Lobberich, auch gestern im Rahmen der Kunstszene.

"Meine Werke haben keine Namen, sonst würde ich die Sichtweise der Betrachter einschränken. Sie sollen ihre eigene Interpretation entwickeln können", sagt Salvatore Minten (70) und zeigt auf ein großes Acryl-Bild mit blauen Farbtönen, die zu verlaufen scheinen, dazwischen rötliche Schattierungen, die die Struktur durch eingearbeitete Fäden auflösen: Wüste Wolken oder pigmentiertes Plankton, Chaos contra Konzept? Der Künstler lächelt nur.

Seine Frau (66) neben ihm lächelt auch, vor ihr scheint ein buntes reusenähnliches Geflecht von der Decke zu schweben, stabile Gestalt und doch federleicht: "Aus Filzwolle", sagt sie. Die beiden geben Rätsel auf, wirken geheimnisvoll, vordergründig zumindest. Und doch ist ihre Arbeit so handfest, greifbar, die zwei bilden ein Duo, in dem keiner dominant, jeder mit seinen Freiheiten wirkt, aber niemand ohne den anderen kann.

Er stammt aus Stuttgart, sie aus Bielefeld, am Niederrhein kamen der Schwabe und die Westfälin zusammen, er stellte in einer Krefelder Szenekneipe aus, darunter ein Protestbild gegen den Vietnam-Krieg. Das Künstlerpaar zog 1990 nach Nettetal, gründete ein Grafikstudio, träumte aber davon, statt Auftragsarbeiten lieber eigene Inspirationen Gestalt werden zu lassen.

Doch Kunst ist ein harter Broterwerb, notgedrungen zwischendurch Nebenjobs als Detektive, frustrierende Ausflüge in die Politik, eine Auszeit auf einer Tierfarm in Holland, dort entdeckte Minten-Rathner bei der Schafschur Wolle als "ihr" Material. Aufschwung, neue Ideen, gemeinsame Projekte.

"Natürlich geben wir uns gegenseitig Anregungen, diskutieren viel, planen gemeinsame Projekte, aber jeder macht dabei sein Ding", erklärt Minten-Rathner, die im Textilmuseum Die Scheune mitarbeitet. Ihr Mann ergänzt: "Allein das Farbempfinden ist individuell, da kann man nicht zu zweit an einem Bild malen." So sind im Atelier seine und ihre Werke nebeneinander und durcheinander zu sehen, Acryl-Bilder an den Wänden und Filz-Objekte von den Decken, auf und zwischen Arbeitstischen und Werkbänken stapelweise gerahmte Werke und metallisch schimmernde Skulpturen. Spektakulär manche seiner Aktionen, bei denen er früher gern mit Schlapphut und Umhang auftrat, Autos verhüllte, Ausbeutung armer Länder durch Großkonzerne anprangerte oder den Müll von einer Lobbericher Wiese als Objekte installierte. Viel beachtet die Ausstellung der beiden mit Werken aus Naturmaterialien im Infozentrum der Biologischen Station, ihr Ansatz dabei: die Ästhetik der Schöpfung hervorheben und Menschen zum Naturschutz animieren.

In einem Alter, in dem andere dem Ruhestand frönen, setzte sich das Paar neue Ziele: "Soziale Projekte liegen uns am Herzen", sagt die Künstlerin. Workshops mit geflüchteten Kindern, mit Menschen mit geistigen Behinderungen, mit Senioren - die Künstler werden zu Motivatoren und Mentoren.

"Schön, dass diesmal sogar 22 Künstler ihre Ateliers öffnen", meint sie. "Schade aber, dass kaum Jüngere mitmachen", ergänzt er. Junge Künstler, auch Kunststudenten, solle man mit einbinden, doch leider gebe es in Nettetal keine Künstler-Vereinigung. Aufgeschlossen-kritisch bleiben sie, die Mintens. Und humorvoll: Das Schild an der Tür ist nur ein Gag, zur Toilette geht's auch ohne Zugangscode.

(jobu)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort