Nettetal Generationswechsel in Kultur des Erinnerns

Nettetal · Junge Nettetaler interessieren sich für das Schicksal jüdischer Familien. Am Sonntag erinnern Christen beider Konfessionen an das Pogrom.

"Am 9. November 1938 brannte die Synagoge in Breyell. Am 10. November wurde die Synagoge in Kaldenkirchen zerstört. Juden wurden seit Beginn der Nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland Ende Januar 1933 verfolgt, drangsaliert, aus dem Land geekelt und ermordet — mit diesen Zerstörungen wurde ein neues Kapitel eingeleitet, das bis zur geplanten systematischen Ermordung aller Juden Europas führte und damit auch zum Tod vieler Menschen aus den Orten, die heute zu Nettetal gehören."

Darauf weist Pfarrer Matthias Engelke hin, dessen evangelische Gemeinde Lobberich-Hinsbeck am Sonntag, 11. November, mit der Lobbericher Pfarre St. Sebastian einen Gedenkabend an die Zerstörung der Synagogen in Nettetal im Pfarrzentrum Brücke, An St. Sebastian 31, ab 18 Uhr ausrichtet.

Die Erinnerung an die systematische Juden-Verfolgung ist in Nettetal in den vergangenen Jahren stets von einem Kreis Bürger aktiv gepflegt worden. Einen neuen Schub erhielt die Beschäftigung mit der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus auch auf dem heutigen Nettetaler Stadtgebiet durch Nettetaler Schüler und einige private Initiativen. Es zeichnet sich ein erfolgreicher Generationswechsel in der Kultur des Erinnerns ab.

Denn während in Kaldenkirchen und Lobberich das Erinnern an die dort lebenden jüdischen Familien ein fester Bestandteil gesellschaftlichen Lebens war, unterblieb dies über Jahrzehnte in Breyell. Es war so, als habe es nie eine Synagogengemeinde gegeben. Schüler der Gesamtschule und die private Initiative von Vera Gäbler sorgten nachhaltig für die Erinnerung. Auf ihre Initiative hin verlegte Gunter Demnig Stolpersteine vor Häusern, in denen jüdische Familien bis zur Deportation gelebt hatten. Gesamtschüler sorgten in diesem Jahr dafür, dass auch in Kaldenkirchen zusätzlich zur Gedenktafel für die Synagoge vor einigen Häusern Stolpersteine gelegt wurden.

Der Abend im Lobbericher Pfarrzentrum "Die Brücke" ist die Fortsetzung einer Veranstaltungsserie, die Pfarrer Engelke ins Leben gerufen hat. Zu Gast ist diesmal Andreas Kinast, der 2010 seine Nachforschungen über die Morde in der Kinderfachabteilung Waldniel-Horst von 1941 bis 1943 veröffentlichte. Er wird über Ergebnisse seiner Untersuchungen berichten.

Pfarrer Engelke wird — inzwischen zum sechsten Mal in Folge — einen Teil aus Jizchak Katzenelsons Werk "Das Lied vom ausgerotteten jüdischen Volk" lesen. Zugleich werden Bilder einer Bahnfahrt von Breyell nach Auschwitz aus heutiger Perspektive gezeigt. Das Projekt hatte der Pfarrer mit Beginn der Lese-Reihe bereits angekündigt. Uli Windbergs gestaltet den Abend musikalisch. Die Eintrittsgebühr von 12 Euro, ermäßigt auf fünf Euro für Schüler und Arbeitslose, dient der Unterstützung der jüdischen Gemeinden in Krefeld und Mönchengladbach.

(RP/rl)
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