Nettetal Feuerwehr sieht sich zu Unrecht in der Kritik

Nettetal · Nettetals Wehrführer Leo Thoenissen: Nicht die Photovoltaikanlage, sondern die Hitze der brennenden Dämmplatten war das Problem.

Riesige Rauchwolke bei Brand in Kaldenkirchen
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Riesige Rauchwolke bei Brand in Kaldenkirchen

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Der Großbrand in einer Halle der Firma Fahrzeugbau Leven an der Leuther Straße in Kaldenkirchen beschäftigt weiterhin Behörden und Einsatzkräfte. Dass sich daraus eine Diskussion um das Löschen von Photovoltaik-Anlagen entwickelt hat, bezeichnet Nettetals Feuerwehrchef Leo Thoenissen als "äußerst unglücklich. Das steht nicht zur Debatte. Die Anlage auf dem Dach war nicht der Grund, dass die Halle teilweise niederbrannte", sagt er.

"Noch nie" habe er ein Feuer erlebt, das sich in so rasender Geschwindigkeit ausbreitete. "Als wir nach der Alarmierung dort ankamen, habe ich auf dem Dach der Halle zunächst nur leichten Rauch gesehen." Innerhalb kürzester Zeit habe sich das Feuer dann mit enormer Dynamik ausgebreitet. "Es hat, das zeigen unsere Protokolle, nur acht Minuten gedauert, da fiel die seitliche Wand um. So etwas habe ich noch nicht erlebt."

Thoenissen ärgert die Debatte vor allem auch, weil die ehrenamtlichen Kräfte buchstäblich bis zum Umfallen gegen das Feuer kämpften. Unterschwellig war Kritik am Einsatz angeklungen. Einige Kameraden waren 24 Stunden im Dienst. "Ich bin allen für ihren Einsatz dankbar. Das gilt auch für die verständnisvollen Arbeitgeber", sagt er.

Nicht die Photovoltaikanlage auf dem Dach, sondern die große Zahl an Dämmplatten aus Polyurethan (PU) in der Halle bereiteten die Probleme. Es sei eine so enorme Hitze entstanden, dass Thoenissen zwei Feuerwehrfahrzeuge aus der Nähe der Halle wegfahren ließ. An in der Nähe parken privaten Fahrzeugen wurden Glaseinfassungen von Scheinwerfer deformiert.

Wie enorm die Hitze des Feuers gewesen sein muss, kann man mit einem Blick in die Trümmer nachvollziehen. Große Stahlträger aus der Hallenkonstruktion sind verdreht "wie eine Stange Lakritz", wundert sich Thoenissen. Er geht davon aus, dass bis zu 700 Grad am Brandherd herrschten. Dass die Feuerwehr dennoch erfolgreich gegen Hitze, Flammen und starken Rauch kämpfte, ist aus den Trümmern ebenfalls entnehmen: Neben dem eigentlichen Brandherd steht ein Hallentrakt, auf dessen Dach intakte Photovoltaik-Module liegen. "Selbstverständlich werden wir im Umgang mit Photovoltaik geschult. Sie stellt generell kein Problem bei Löscharbeiten dar. Wir sind ja auch in brennenden Häusern unterwegs, in denen die elektrischen Leitungen womöglich noch irgendwo herumhängen." Man könne die Module zwar vom Stromkreislauf abtrennen - dafür gibt es entsprechende Schutzschaltungen -, aber solange die Sonne scheint, produziert jedes Modul weiterhin Strom. "Wir spritzen ganz normal Löschwasser drauf, es darf aber keiner die Platten anpacken", erklärt der Feuerwehrchef. Gefährlicher seien Anlagen auf schrägen Dächern. "Wenn sie sich lösen, rutschen sie runter und gefährden Einsatzkräfte." Die anhaltende Diskussion über Für und Wider der Anlagen sei für die Feuerwehr ebenso uninteressant wie die über bestimmte Modul- und Montagequalitäten. "Unsere Aufgabe ist: Feuer löschen und weg", sagt Thoenissen. In Kaldenkirchen sei die Photovoltaikanlage auf dem Hallendach das geringste Problem gewesen.

Fachleute der Viersener Feuerwehr, die auch ständig im Institut für Feuerwehr in Münster geschult werden, haben an verschiedenen Orten Messungen vorgenommen, um festzustellen, ob Gift in gefährlichen Konzentrationen freigesetzt wurde. "Das geschah unmittelbar am Brandort, in Leuth und in Hinsbeck", bestätigt Nettetals Ordnungsamtsleiter Klaus Osmann. Die Zusammensetzung der Brandgase sei abhängig von der Art des verbrannten Materials, der Sauerstoffzufuhr, der Höhe der Brandtemperatur und der Dauer. Bis heute sind etwa 5000 verschiedene giftige Bestandteile im Rauch bekannt. Entsprechend lange dauert es, Messungen auszuwerten. In Kaldenkirchen habe keine akute Gefahr bestanden, dass Feuerwehrkräfte unter Atemschutz vorgingen, sei wegen der Hitze und vorbeugend geschehen.

Die Warnung, Türen und Fenster geschlossen zu halten, sei ausgesprochen worden, als sich übler Geruch ausbreitete und Rußflocken vom Himmel fielen. Bis nach Hinsbeck und Umgebung flogen die Partikel und lösten bei einigen Bürgern Sorgen aus. "Weil man nicht wusste, dass es in Kaldenkirchen brannte, konnte sich niemand erklären, woher die Flocken kamen. Es gab bei uns einige besorgte Anrufe", berichtet Osmann.

Unverständlich ist den Einsatzkräften die Gafferei. Die Radwegbrücke über die Autobahn sei so verstopft gewesen, dass sie unpassierbar war. "Heute muss jeder wohl mit seinem Handy fotografieren", seufzt Thoenissen. Auch die Wirtschaftswege seien, obwohl die Polizei den Verkehr über die Autobahn umleitete, durch zahlreiche Fahrzeuge "sehr belebt" worden.

(RP)
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