Nettetal Der Begleiter für den letzten Weg

Nettetal · Trauerredner Willi Wienen aus Kaldenkirchen sieht einen Wandel in der Begräbniskultur. Trotzdem halten auch so genannte Kirchenferne gern an Ritualen und Traditionen fest

 Mit seiner ruhigen, einfühlsamen Art spricht Willi Wienen über die Verstorbenen und gibt den Hinterbliebenen wieder Hoffnung.

Mit seiner ruhigen, einfühlsamen Art spricht Willi Wienen über die Verstorbenen und gibt den Hinterbliebenen wieder Hoffnung.

Foto: jobu

Kurz durchatmen: "In den vergangenen Tagen hatte ich einige Beerdigungen von Menschen meiner Generation, so zwischen 50 und 60 Jahren, da wird man schon nachdenklich", sagt Willi Wienen. Dabei ist nachzudenken und vor allem zu reden über Sterben und Tod für ihn ohnehin Alltag - der Kaldenkirchener ist Trauerredner. Und er erfährt bei seiner Tätigkeit einen spürbaren Umbruch: "Die Begräbniskultur ist im Wandel."

Trauerredner sein, das heißt für Wienen viel mehr als nur eine Ansprache beim Begräbnis, in einer Trauerhalle auf dem Friedhof zu halten: "Ich verstehe mich als Moderator der Abschiedsfeier für die Trauernden, als Begleiter der Trauernden bei der Beerdigung bis zum Schluss."

Vorher sucht Wienen das Gespräch mit der Trauerfamilie, um sich ein Bild vom Verstorbenen machen zu können, über den er reden soll. So kann er der Familie beim Begräbnis angemessen Hoffnung vermitteln, betont der Theologe. Trost spenden zu wollen, das sei seiner Meinung nach "zu hoch aufgehängt".

Wie jedoch kann er Menschen Hoffnung geben, die womöglich ihren Liebsten verloren haben, vielleicht nur Leere spüren? Wienen: "Ich spreche an, was bleibt, an guten Erinnerungen etwa, an Gemeinschaft mit denjenigen, die noch da sind. Ich rede über das, was ihnen wichtig ist, damit das Leben weiter einen Sinn hat oder wieder einen erhält."

Dass er mit seiner ruhigen, einfühlsamen und freundlichen Art die Menschen erreicht, dass er die richtigen Worte und den treffenden Ton findet, davon zeugen viele Dankesbekundungen. Wobei die Menschen nicht mitbekommen, wenn nach einer Beerdigung die Anspannung bei ihm abfällt: "Das geht nicht spurlos an einem vorüber, zum Beispiel wenn man einen jungen Menschen beerdigt", sagt er.

Der Trauerredner ist im Einsatz "für Christen ebenso wie so genannte Kirchenferne, aber auch schon mal für eine türkisch-deutsche Familie, also islamisch-christlich." Unterschiedlich sind dabei die Beweggründe, einen Trauerredner und nicht einen Pfarrer zu wählen: "Einige wollen kein kirchliches Begräbnis, manche suchen sich einen Friedhof in einer anderen Kommune aus, wo mitunter nicht so schnell ein Pfarrer zu bekommen ist", erklärt Wienen.

Während die von den Trauernden gewünschte Musikauswahl bei Abschiedsfeiern "von Kirchenliedern bis zu Rocksongs" reicht, ist für Wienen eine Konstante stets, möglichst bei jedem Begräbnis das Vaterunser zu sprechen. Dieses urchristliche Gebet werde zumeist von allen akzeptiert, auch von denen, die "mit Kirche oder Glauben kaum was am Hut haben", wie er sagt und ergänzt: "Sei es nur nach dem Motto: Kann ja nicht schaden." Traditionelle Rituale wie ein gesprochenes Gebet oder bewährte Symbole wie eine Blume seien noch immer gefragt.

Vielfältig hingegen sind heute nach Wienens Erfahrungen die Begräbnisarten. Wählten längere Zeit schon mehr Menschen "vielfach aus Kostengründen" eine Urnen- statt eine Erdbestattung, so haben etliche Kommunen reagiert. In Nettetal zum Beispiel kostet seit Jahresbeginn ein Urnengrab bis zu 700 Euro mehr als ein Reihengrab mit Erdbestattung.

Für Wienen ist es deshalb nicht verwunderlich, dass er immer öfter auch für alternative und preiswertere Bestattungsarten außerhalb Nettetals wie im Natur-Begräbniswald in Blerick bei Venlo angefragt wird. Ohnehin sei man in den Niederlanden offener für die individuelle Gestaltung von Trauerfeiern und Begräbnissen, während "bei uns vieles bis ins letzte Detail reglementiert ist, auch mit Gebührensätzen".

Der 56 Jahre alte Diplom-Theologe und Familienvater glaubt trotzdem, dass es "auch in Zukunft die herkömmlichen Friedhöfe geben wird, allerdings vermutlich kleiner als heutzutage". Nicht von ungefähr seien die Friedhöfe an den stillen Gedenktagen Ende Oktober und im November gut besucht: "Vielen Menschen, übrigens auch mir, ist ein traditionelles Grab als Ort der Begegnung und der Erinnerung wichtig", sagt der Trauerredner.

(jobu)
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