Nach Germanwings-Absturz Den Schock und Schmerz lindern

Nettetal · Ein von der Notfallpsychologin Dr. Sabine Rau und ihren Kollegen angeregtes Konzept zum abgestimmten Einsatz der Hilfsorganisationen bestand bei der Betreuung der Angehörigen der Flugzeugkatastrophe seine Bewährungsprobe.

 Sabine Rau, leitende Notfallpsychologin der Stadt Düsseldorf, war am 29. März zu Gast in der ARD-Talkshow "Günther Jauch".

Sabine Rau, leitende Notfallpsychologin der Stadt Düsseldorf, war am 29. März zu Gast in der ARD-Talkshow "Günther Jauch".

Foto: dpa

Kommt es zu Katastrophen, dann muss den Opfern und ihren Angehörigen jede Hilfe so umfassend wie möglich angeboten werden. Das erfordert eine gründliche organisatorische Vorbereitung. Dr. Sabine Rau, seit 2009 Leitende Notfallspychologin bei der Stadt Düsseldorf, hatte mit verschiedenen Organisationen der Landeshauptstadt ein Konzept für strukturierte Abläufe erarbeitet: Die Vereinbarung war gerade unterzeichnet, da trat der nächste Ernstfall ein: Die Betreuung von Angehörigen auf dem Düsseldorfer Flughafen nach dem 4U 9525-Absturz in den französischen Alpen.

Sabine Rau hat in dieser "Großschadenslage", wie Katastrophen in der verwalteten Welt neutralisierend bezeichnet werden, zunächst im Hintergrund gearbeitet. Ihr fünfköpfiges Notfallteam aus Psychologen, Sozialarbeitern und Pädagogen setzte sie dort ein, wo Hilfe mit Nachdruck erbeten wurde. Dies, weil das Unglück nicht in Düsseldorf geschah und die Federführung nicht bei ihr lag. Am nächsten Tag übernahm sie die Einsatzleitung in der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV). Sie hat sich selbst in das Team an der Basis einreihen können und versucht, Hilfe in einer schier ausweglosen Situation zu geben. Sie setzt auf die Erkenntnis, dass "unsere Psyche stark ist und vieles von selbst regelt". Wichtig sei, dass den Betroffenen das Gefühl vermittelt werde, sie stünden nicht allein. Hier sei jemand da, an den sie sich vertrauensvoll in ihrem Schmerz wenden können.

"Ich habe den schönsten Job der Welt", hat die Nettetalerin in der Talkshow "Günther Jauch" gesagt. Den zunächst verdutzten Zuschauern lieferte sie eine einleuchtende Begründung: "Ich habe bei den Angehörigen so vielen Menschen begegnen dürfen, die auf unterschiedliche Ressourcen für schwierige Situationen zurückgreifen, die Menschlichkeit zeigen und für die anderen kämpfen", erklärte sie und fügte hinzu: "Es ist eine Bereicherung, mit diesen Menschen arbeiten zu dürfen. Es ist ein Geschenk, ihnen begegnen zu können und eine Bereicherung für mich, solch intensive Begegnungen zu haben."

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Foto: dpa, mb cul

Ihre Arbeit als Notfallpsychologin ist nur ein "hauptamtlicher Nebenjob". Denn seit knapp zehn Jahren leitet die 36-Jährige die Reha-Tagesklinik des Gesundheitsamtes Düsseldorf, die Drogenabhängige wieder in ein normales Leben zurückführen will. Sie leben meist mit Ersatzdrogen wie Methadon, doch sollen sie davon abkommen, um sogar in einen Beruf zurückzufinden. Auch dabei gilt die Maxime: "Man muss das Gute im Menschen erkennen. Er hat viele Möglichkeiten, aus sich etwas zu machen. Jeder Mensch ist liebenswert."

Die Tagesklinik, von der damals frisch von der Universität Trier kommenden Psychologin als Pilotprojekt übernommen, betreut bis zu 16 Patienten. Immerhin 30 Prozent schaffen langfristig den Weg ohne Drogen. Das Besondere: Einige von ihnen kommen in der Tagesklinik auch von den Ersatzdrogen los. "Schwerpunkte liegen im medizinischen, therapeutischen und ergotherapeutischen Bereich. Wir schauen uns dabei auch das Wohnumfeld an und helfen bei Bedarf, ein neues Zuhause zu gestalten", umreißt Sabine Rau das weitgespannte Konzept. Sie selbst wirbt auf zahlreichen Fachveranstaltungen für einen neuen, auf das Individuum abgestellten Umgang mit Abhängigen "illegaler Drogen", wie in Berichten im Internet noch unter ihrem Mädchennamen Dückers nachzulesen ist. Obwohl das Gesundheitsamt der Stadt Düsseldorf die Klinik unterhält, kommen die Patienten aus einem Umkreis von 45 Fahrminuten.

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Foto: dpa, mpc

Die 30 Prozent der völlig Abstinenten sieht Sabine Rau als eine erfreuliche Erfolgsquote an, denn es sei unheimlich schwer, von Gewohnheiten loszukommen. Deshalb freut sie sich, dass aus dem Pilotprojekt inzwischen eine ständige Einrichtung geworden ist und bundesweit viele Nachahmer gefunden hat.

(mme)
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