Moers Witzig: Deutschland als Kulturschock

Moers · Er ist klein und knuffig, stammt aus Izmir und bezeichnet sich selber als "Herr der Sesamringe". Serhat Dogan ist Türke, oder war es zumindest mal, bevor er vor elf Jahren nach Deutschland kam und sich hier so schnell integrierte, dass ihn neulich sogar sächsische Hooligans eher für einen besoffenen Engländer als für einen ungeliebten Muselmanen hielten.

 Serhat Dogan im Garten des Antiquariats Küpperbusch.

Serhat Dogan im Garten des Antiquariats Küpperbusch.

Foto: Dieker

Dieser elfjährige Weg war kein leichter, wie die rund 40 Zuschauer seines Comedy-Programms "Kückkück" am Freitag im Garten des Moerser Antiquariats Küpperbusch erfuhren. Obwohl Serhat Dogan zuvor schon einige Jahre in seiner Heimatstadt als Hotel-Animateur gearbeitet und dabei das deutsche Wesen einigermaßen gut kennengelernt hatte, kamen seine ersten Eindrücke hier dennoch fast einem Kulturschock gleich. Na gut, dass die Deutschen merkwürdige Schlagertexte lieben, wusste er bereits. "Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert", das geht in der Türkei nur mit der Mutter. Und um einen Schlager wie "Du hast mich tausendmal belogen", zu einem Hit werden zu lassen, muss man schon ein "sehr gefühlvolles Volk" sein.

Damit konnte Serhat leben. Auch damit, dass man in Deutschland seinem Hund an den Fußgängerüberwegen die Bedeutung der Ampelfarben erklärt: "Sitz Hasso! Wir haben Rot. Die Autos haben jetzt Grün und dürfen fahren." Ebenso irritierend, aber dennoch akzeptabel waren für ihn auch die knapp bekleideten Damen, die am Münchner Hauptbahnhof etwas feilboten, wofür man in der Türkei erst drei Jahre mit dem Vater feilschen muss. Einen echten Schock erlebte er dagegen bei seinem ersten Anblick eines Sonnenstudios. "Ein Haus, in dem Sonne verkauft wird. In Izmir gehen wir dafür einfach vor die Tür, und das auch nur, wenn wir müssen."

Irgendwie gelang ihm dann aber doch die Eingewöhnung. Die nötigen Sprachkenntnisse gewann er schnell mit Hilfe von Grönemeyer-Songs, und Sabine machte aus dem türkischen Macho einen einfühlsamen Dauerstreichler. Saufen und Flirten hatte er ja schon von den Touristen in Izmir gelernt, und so dauerte es nicht lange, bis auch die sechs selbst gestrickten Schafwollunterhosen, die ihm seine Mutter bei der Abreise eingepackt hatte, in der Mülltonne verschwanden. Nur mit der deutschen Angewohnheit, ein Bier mit grünem oder rotem Sirup-Zusatz "Weiße" zu nennen oder neue Nachbarn mit Brot und Salz, also "Döner ohne Alles", zu begrüßen, kann er sich immer noch nicht so recht anfreunden. Da war die türkische Pizza, die Angelika Küpperbusch ihren Gästen an diesem Abend in der Pause hatte liefern lassen, schon eher nach seinem Geschmack.

(lang)
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