Moers Wie Durham von Wesel lernen kann

Moers · Nach dem Gespräch mit Landrat Ansgar Müller und dem Chairman des County Durham, William Bill Kellett, wurde eines klar: Die seit 65 Jahren bestehende Partnerschaft der Landkreise wird nach dem Brexit erst recht gestärkt.

 William Bill Kellett (rechts), Chairman des County Durham, und Landrat Ansgar Müller trafen sich im Wellings Park Hotel in Kamp-Lintfort zum gemeinsamen Gespräch und Erfahrungsaustausch.

William Bill Kellett (rechts), Chairman des County Durham, und Landrat Ansgar Müller trafen sich im Wellings Park Hotel in Kamp-Lintfort zum gemeinsamen Gespräch und Erfahrungsaustausch.

Foto: Klaus Dieker

Der Bergbau hatte einst dafür gesorgt, dass der Kreis Wesel und die im Nordosten Englands gelegene Grafschaft Durham zusammenfanden und sich eine enge Partnerschaft entwickelte. Jährlich werden abwechselnd Besuche in Deutschland und England abgehalten, die die Verbindung aufrechterhalten und Inspiration für die eigenen kommunalen Verwaltungsstrukturen bringen soll. In diesem Jahr war eine Delegation aus Durham im Weseler Kreisgebiet. Der Bürgermeister der City of Durham und gleichzeitig Landrat des dortigen Kreises, William Bill Kellett, stattete Deutschland zum ersten Mal einen Besuch ab und war unter anderem begeistert vom deutschen Universitätswesen. "Da hat uns Deutschland einiges voraus. Wir haben zwar auch eine Universität, die dazu noch zu den ältesten des Landes zählt, aber in puncto Verwaltung und Technologietransfer zwischen den Universitäten und der Industrie können wir noch einiges lernen. Dass es in Deutschland keine Studiengebühren gibt, ist ein großer Vorteil. Wir haben viele intelligente Menschen, die nach dem Studium entweder hoch verschuldet ins Leben starten oder gar nicht erst studieren. So entgehen uns hoch qualifizierte Talente."

Und genau um solche Einsichten geht es bei den gegenseitigen Besuchen - die Führungspersönlichkeiten sollen voneinander lernen. Jedes Jahr stehen dabei einzelne Themen wie etwa Nachhaltigkeit oder organische Landwirtschaft im Mittelpunkt. Die County Durham ist genau wie der Kreis Wesel ländlich und ebenfalls vom Bergbau geprägt. Während in Deutschland zum Herbst dieses Jahres das letzte Bergwerk seinen Betrieb einstellen wird, haben die Kumpel in England 2015 zum letzten Mal ihre Schicht gefahren - in Durham sogar bereits 1993. Bei uns geschieht der sogenannte Abschied von der Kohle sukzessiv und mit Rücksicht auf die Bergleute. Die Devise dabei: Kein Kumpel soll nach der Kohle-Ära in Arbeitslosigkeit verfallen.

In England ist die Arbeitslosigkeit allerdings rasant angestiegen, nachdem viele große Bergwerke ("Super-Pits") gleichzeitig vom Netz gegangen waren und der größte Arbeitgeber im Küstengebiet des Nordostens wegfiel. Liegt die Arbeitslosigkeitsrate in England bei durchschnittlich 4,9 Prozent, ist sie in Bergbaugebieten wie Durham überdurchschnittlich hoch: Der 500.000 Einwohner zählende Kreis weist eine Arbeitslosenquote von bis zu zwölf Prozent oder mehr in östlichen Gebieten auf, die fernab des Zentrums sind, in denen die Universität, das Krankenhaus oder das Gewerbe für Beschäftigung sorgt. Dies ist eine schlechte Voraussetzung für die sozial-ökonomischen Konditionen: "Wir sind uns sicher, dass der Unmut einiger Bürger für ein Ja beim Brexit verantwortlich ist. Dabei denke ich aber nicht, dass diese Menschen nein zur EU sagen, sondern eher zum Status Quo ihrer eigenen Umgebung", erklärt Kellett.

Der Landrat und Bürgermeister von Durham macht darüber hinaus eines ganz klar: "Der Brexit ist meiner Meinung nach ein Desaster. Mit 49 zu 51 Prozent wurde keine eindeutige Mehrheit erzielt. Die Hälfte der Briten ist mehr als unzufrieden mit der Wahl. Im Herzen sind wir doch alle Europäer und müssen zusammenhalten." Wesels Landrat Ansgar Müller: "Der Brexit wird keine Auswirkung auf die Beziehung zwischen unseren Kreisen haben. Ganz im Gegenteil." Die nächsten Besuche seien bereits geplant und auch eine Gruppe deutscher Schüler soll demnächst in der englischen Grafschaft begrüßt werden.

(RP)
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