Moers "Was hätte ich ändern können?"

Moers · Als Vorbereitung auf eine Reise nach Auschwitz schauten sich Zehntklässler des Adolfinums ein Theaterstück an, in dem die Hitlerzeit Thema ist.

 Was ist typisch deutsch? Gestern zeigte das TKO Theater Köln das Zweipersonenstück "Rukeli", das auf den Text "Zigeuner-Boxer" von Rilke Reiniger zurückgeht. Das Gymnasium Adolfinum hatte sich das Stück beim Kinder- und Jugendtheaterfestival ausgesucht.

Was ist typisch deutsch? Gestern zeigte das TKO Theater Köln das Zweipersonenstück "Rukeli", das auf den Text "Zigeuner-Boxer" von Rilke Reiniger zurückgeht. Das Gymnasium Adolfinum hatte sich das Stück beim Kinder- und Jugendtheaterfestival ausgesucht.

Foto: Dieker, Klaus (kdi)

Die Erinnerung ist quälend. Rukeli - kurz Ruki genannt - und sein Freund Hans wälzen sich auf der Bühne. "Die Erinnerung ist in mir", sagt Hans. "Ich will Platz schaffen in Herz und Brust. Ich will das Vergessen lernen. Aber ich kann es nicht lernen."

Gestern zeigte das TKO Theater Köln das Zweipersonenstück "Rukeli", das auf den Text "Zigeuner-Boxer" von Rilke Reiniger zurückgeht. Das Gymnasium Adolfinum hatte sich das Stück beim Kinder- und Jugendtheaterfestival ausgesucht. "Es war ein Wunsch dieses Gymnasiums", sagt Holger Runge, Theaterpädagoge für das Junge Schlosstheater Moers und Mitorganisator dieses Theaterfestival. "Denn die Zehntklässler des Adolfinums fahren am Freitag, dem 19. Juni, für fünf Tage nach Polen. Dort besichtigen sie auch das Konzentrationslager Auschwitz", so Runge weiter.

Das Stück greift die Fragen auf, die sich in diesem Lager fokussieren. Was ist typisch deutsch und was undeutsch? "Ist es undeutsch, schneller zu sein", fragt Ruki, alias Nedjo Osman, seinen Freund Hans, alias Arno Kempf. Dabei ist die Person Ruki an Johann Wilhelm Trollmann angelehnt, der in den frühen 1930er Jahren Boxstar im Halbschwergewicht war. "Ist es undeutsch, geschickter zu sein", hinterfragt Ruki den Rassismus in der Hitlerzeit, der mit starken Akzent spricht. "Ist es undeutsch, beliebter zu sein." Hans weiß darauf keine Antwort, Ruki schon, für den es nichts Schöneres gibt, als mit Hans einen Boxkampf mit Gestik und Mimik zu tanzen.

Als Sinti "mit dunkler Haut und dunklen" Haaren, wie er sich selbst beschreibt, färbt er sich mit Mehl sein Gesicht weiß, blondiert mit Wasserstoffsuperoxid seine Haare und zieht eine braune SA-Uniform an, um "deutsch" zu sein.

Doch die braunen Machthaber lassen sich diese Provokation nicht gefallen. Sie nehmen den "Zigeuner-Boxer" fest, wie sie ihn nennen. Sein Freund, der auch ins Lager kommt und dort Ruki wieder trifft, stellt sich die zweite große Frage: "Wie hätte ich etwas ändern können?" Auch diese Frage kann nur Frage bleiben, weil es darauf keine Antwort gibt.

Schließlich bleiben dem Freund nur noch Erinnerung und Verzweiflung, nachdem Ruki von den braunen Machthabern erschossen worden ist. "Wie kann ich vergessen? Die Worte stecken mir im Hals", sagt Hans, während ihm Ruki im Traum noch einmal einen Apfel reicht, wie damals zu Beginn ihrer Freundschaft. "Ich ersticke. Aber ich habe Angst vor dem Ersticken", sagt Hans.

170 Schüler und Lehrer machte das Stück am Dienstagmittag in der Aula der Hermann-Gmeiner-Berufskollegs zutiefst nachdenklich. Sie dankten den Darstellern mit großem Applaus.

(got)
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