Wolfgang Schmitz "Viele sind orientierungslos bei Berufswahl"

Moers · Obwohl die Löhne in der Metall- und Elektroindustrie überdurchschnittlich hoch sind, gibt es zu wenige geeignete Lehrstellenbewerber, sagt der Hauptgeschäftsführer des Unternehmerverbandes.

NIEDERRHEIN Bei der jüngsten Konjunkturumfrage des in Duisburg ansässigen Unternehmerverbandes haben ein Drittel der befragten Unternehmen aus dem Bereich Metall- und Elektroindustrie die Befürchtung geäußert, in den nächsten drei bis vier Jahren unter einem Fachkräftemangel zu leiden. Mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit will Unternehmerverbands-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Schmitz (57) mehr junge Leute für technische Ausbildungsberufe gewinnen.

Beim Stichwort Metall- und Elektroindustrie denken Laien in aller Regel spontan an eher starke Männer in ölverschmierten Blaumännern, die viel körperliche und anstrengende Arbeit verrichten müssen.

Wolfgang Schmitz Das ist tatsächlich so. Dabei ist die Realität völlig anders. Denn ein Jungfacharbeiter muss heute eher mit dem Computer als mit dem Schraubenschlüssel umgehen können.

Was muss getan werden, um jungen Leuten zu zeigen, wie die Arbeit heute in technischen Berufen tatsächlich aussieht?

Schmitz Da gibt es mehrere Möglichkeiten: Zum einen haben Firmen mittlerweile die Möglichkeit, sich kostenlos auf der Facebook-Seite "ME Ausbildung NRW", der aktuell mehr als 12.500 Jugendliche folgen, als Ausbildungsbetrieb vorzustellen und auf offene Lehrstellen aufmerksam zu machen. Dann sind wir schon seit vielen Jahren mit unserem Info-Truck in der Region unterwegs, um Jungen und besonders auch Mädchen für die Berufe im gewerblich-technischen Bereich zu interessieren und ihnen Praktika anzubieten. Denn die Erfahrung zeigt, dass junge Leute bei der Wahl eines Berufes in vielen Fällen völlig orientierungslos sind. Und leider haben auch viele Lehrer kaum Ahnung vom Alltag in der Wirtschaft.

Jetzt ist es doch so, dass in den technischen Berufen Mathe, Physik und Chemie eine wichtige Rolle spielen. Also Fächer, die viele Schüler nicht sonderlich interessieren.

Schmitz Es ist richtig, dass man niemanden zum Jagen tragen kann. Aber so wichtig sind gute Noten in den MINT-Fächern gar nicht. Ein ordentlicher Schulabschluss reicht normalerweise. Und wenn jungen Leuten klar wird, wie gut in der Metall- und Elektroindustrie verdient wird, dann dürfte die Entscheidung für Berufe wie Industriemechaniker, Systemelektroniker oder Werkstoffprüfer vielleicht auch leichter fallen. Auch ohne Abi und Studium liegt das Durchschnittsgehalt in dieser Branche bei 54.000 Euro brutto.

Das Handwerk beklagt seit Jahrzehnten, nicht die Lehrlinge zu bekommen, die es benötigt. Wie sieht es in der Industrie aus?

Schmitz Diese Klagen hören wir auch immer wieder von unseren Mitgliedsbetrieben. Meist mit dem Hinweis, dass die schulischen Leistungen nicht reichen. Vor allem beim Lesen, Rechnen und Schreiben ist oft noch Luft nach oben. Das gilt auch für "weiche Faktoren" wie Pünktlichkeit, Benehmen und Ordnung. Da haben viele junge Leute noch Nachholbedarf. Die brauchen Zusatzschulungen, um Defizite auszugleichen.

Also stellen Firmen in aller Regel Lehrlinge ein, die eigentlich gar nicht geeignet sind.

Schmitz Wir müssen Kompromisse machen und können nicht nur die "Olympiasieger" einstellen. Aber auch die Anwärter müssen meiner Meinung nach flexibler sein. Es ist nämlich so, dass viele nur an einer Lehrstelle in ihrem Heimatort interessiert und wenig mobil sind. Außerdem sollten junge Leute, die zunächst nicht in ihrem Traumberuf eine Chance bekommen, überlegen, ob sie nicht vielleicht in der fachlichen Nachbarschaft nach einer Lehrstelle schauen, um so den Einstieg zu schaffen.

Sie meinen, wenn man als Bewerber nun keine Stelle zum Kfz-Mechatroniker bekommt, dass man es vielleicht bei einem Zweiradhändler probiert?

Schmitz Genau das meine ich.

Wollten Sie selbst mal eine Lehre machen?

Schmitz Ja, nach dem Abi wollte ich Bankkaufmann werden. Doch weil damals alle Stellen besetzt waren, habe ich Jura studiert.

RP-REDAKTEUR KLAUS NIKOLEI FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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