Moers TÜV Nord bringt Flüchtlingen Deutsch bei

Moers · Im ehemaligen Berufskolleg in Moers-Hochstraß unterrichten Dozenten 68 Asylbewerber. Die Motivation der Schüler ist groß.

 Lehrerin Hanady Fahed bringt ihren Schülern das ABC bei. Sprachkenntnisse erleichtern die Integration der Flüchtlinge in das soziale Leben und die Arbeitswelt.

Lehrerin Hanady Fahed bringt ihren Schülern das ABC bei. Sprachkenntnisse erleichtern die Integration der Flüchtlinge in das soziale Leben und die Arbeitswelt.

Foto: Klaus Dieker

Im Unterricht von Hanady Fahed ist es mucksmäuschenstill. Nacheinander sollen die Schüler das Alphabet aufsagen. In Lautschrift hat sie es unter die Buchstaben an der Tafel geschrieben, doch die Männer in ihrer Klasse sind Analphabeten. Das ABC haben sie auswendig gelernt. Auch die Wochentage und die Zahlen von eins bis zehn bringt Fahed ihnen bei.

Eine Tür weiter lernen die Fortgeschrittenen Deutsch. Mit Lehrer Ünal können sie schon kurze Unterhaltungen führen. Sie sollen an die Tafel schreiben, was sie am Abend vorhaben. "Ich möchte Fußball spielen" schreibt einer. "Ich möchte Pommes essen", ein anderer. Hassan stellt sich vor: "Ich heiße Hassan. Ich komme aus Syrien. Ich wohne in Moers", sagt er. Dann schreibt er seinen Plan für den Abend an die Tafel: "Ich lese ein deutsches Buch."

Seit zwei Wochen laufen die Deutschkurse in den Kolleg-Räumen, die der TÜV Nord für diesen Zweck angemietet hat. Finanziert wird die Initiative von der Agentur für Arbeit. Seit Anfang des Monats gibt es eine Änderung im Asylrecht, erklärt Andre Bröcking vom Fachbereich Jugend und Soziales der Stadt Moers. Bisher waren solche Sprachkurse erst nach Abschluss des Asylverfahrens vorgesehen. Seit dem 1. November wird der Unterricht für Menschen mit hoher Bleibeperspektive auch schon während des Verfahrens unterstützt. Das Bildungszentrum Kamp-Lintfort von TÜV Nord Bildung stellte daraufhin drei Dozenten mit arabischem Hintergrund und eine Betreuerin ein. 68 Männer bekommen seitdem Deutschunterricht, 55 davon sind Syrer.

Die Dozenten haben die Teilnehmer in drei Lerngruppen unterteilt: Eine Gruppe bilden die Analphabeten, eine die Menschen, die Arabisch lesen und schreiben können und die dritte die Fortgeschrittenen, die auch Englischkenntnisse haben. Drei Monate laufen die Kurse, jeden Tag sind sechs Unterrichtsstunden vorgesehen.

Rainer Henke, Leiter des Bildungszentrums, findet besonders den praktischen Bezug wichtig: "Wir bringen ihnen nicht nur das ABC bei, sondern gehen zum Beispiel zu Behörden, zum Arzt, oder einfach mal an die Bushaltestelle, und erklären, wie man den Fahrplan liest." Diese Exkursionen sollen übernächste Woche starten, wenn alle Teilnehmer eine "gewisse Grundkompetenz erlangt haben."

In einem PC-Raum können sie per E-Mail Kontakt nach Hause aufnehmen, denn nicht jeder Asylbewerber habe ein Handy, sagt Henke. Bisher hatten hauptsächlich Ehrenamtler Kurse für Flüchtlinge angeboten: "Die sind auch weiterhin sehr wichtig", findet Suada Redzovic, Fachbereich Jugend und Soziales.

"Es gibt Teilnehmer, die vier bis fünf Kurse parallel besuchen. Ich finde das toll", sagt sie. Das zeige das hohe Interesse vieler Asylbewerber, Deutsch zu lernen. Der Unterricht bringe außerdem Struktur in den Alltag der Flüchtlinge.

Im Unterricht sind auch Probleme in den Unterbringungen immer wieder Thema. Lehrer Fauzi Al-Zein ist besorgt: In der Selbstversorger-Unterbringung an der Ernst-Holla-Straße, in der 300 Männer zusammen wohnen, gäbe es nachts so starke Unruhen, dass seine Schüler kaum Schlaf bekämen. "Wenn sie nur eine Stunde schlafen können, schaffen sie es nicht, am nächsten Tag hier zu erscheinen und konzentriert zu lernen", sagt Al-Zein. Auch Rückzugsräume zum Lernen in der Unterkunft fehlen, sagt ein Asylbewerber.

Um 14 Uhr endet der Unterricht, Hassan und einige Mitschüler wollen in der Unterkunft weiter lernen. Das Bildungszentrum möchte bald eine zweite Unterrichtsschicht am Nachmittag anbieten. "Wir richten uns da nach dem Bedarf in den Heimen", so Henke.

(RP)
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